GdW-Präsident Gedaschko mit Klartext zu Politik und Wohnungsbau

Axel Gedaschko hat die Teilnahme seines Verbandes GdW am Wohngipfel abgesagt. Weshalb und worum es ging, erklärt er im Gespräch mit Irmelin Ehrig, Redaktionsleitung.
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© nilshasenaufotografie
Axel Gedaschko, GdW-Präsident

Kanzler Scholz und Bundesbauministerin Geywitz mussten am 25. September 23 ohne GdW sowie ohne den Verband Haus & Grund tagen. Weshalb haben Sie den Wohngipfel damals abgesagt?

Als GdW sind wir seit langem extrem unzufrieden mit der Politik. Es geht um die stetig anwachsenden Auflagen, mit denen wir als Bestandseigner konfrontiert werden, zum Beispiel über das neue Heizungsgesetz (GEG). Darüber hinaus stört uns die konsequente Wahrnehmungsverweigerung der Wirklichkeit, die sich in der Politik zeigt. So haben wir beispielsweise immer wieder darauf hingewiesen, dass es unter den bestehenden Rahmenbedingungen nicht möglich ist, 2023 rund 422.000 Wohnungen zu bauen. Es wurde dennoch in aller Breite von der Bundesbauministerin und dem Kanzler verkündet. Die Datenerhebungen bei unseren Mitgliedern hingegen zeigten frühzeitig an, dass die Ziele bei Modernisierung und Neubaus deutlich verfehlt würden. Die Politik hätte diese Erhebungen als Frühwarnsystem nutzen können.

Das heißt, Sie sind über die Beratungsresistenz der Politik verärgert.

Es ist im Grunde schlimmer: An unserem Verbandstag, im November 2022, hatte ich dieses Problem erneut in einer Rede angesprochen. Daraufhin fragte Frau Geywitz ein Präsidiumsmitglied, ob meine Darstellung ‚wirklich wahr‘ sei. Dieses Beispiel – und es ist nur eines von vielen – zeigt das ganze Dilemma: die Verweigerung der politischen Akteure gegenüber den Gegebenheiten der Realität. So gab es auch ein SPD-Strategiepapier für ‚Bauen und Wohnen‘ mit Lösungen, die weitere Auflagen für Bestandshalter vorsahen und ihnen die Refinanzierung, insbesondere über Mietbegrenzung, abschnitten. Wie kann man massive Mehrinvestitionen erwarten und gleichzeitig die Refinanzierung unterbinden? Auf unsere Kritik hin erhielten wir ein Antwortschreiben der SPD: Die Politik würde so viel tun, aber wir seien nie zufrieden. In Wahrheit ist es schlicht so, dass wir derzeit nicht in der Lage sind, im gewünschten Sektor zu bauen, weil unsere Kunden sich dann die hohen, der Investition entsprechenden Mieten nicht leisten könnten. Wir würden am Markt vorbeibauen und auch an unserem Auftrag, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Und der Kanzlergipfel?

Es hieß, wir sollten am Kanzlergipfel beteiligt werden, damit wir unsere Sicht der Dinge einbringen können. Tatsache ist, dass niemand von uns vor diesem Termin auch nur Einsicht in das Maßnahmenpapier erhalten hat. So etwas ist nicht nur stilistisch fragwürdig, sondern es zeigt, dass es offenbar gar nicht darum ging, im Austausch und in der Diskussion tragfähige Lösungen zu erarbeiten. Vielmehr wurde klar, dass bereits vor dem Gipfel alles beschlossen war. So kam es, dass sowohl Präsidium und Verbandsrat als auch die einzelnen Gremien des GdW einstimmig entschieden, die Teilnahme abzusagen. Und tatsächlich wurden ja auch keinerlei Änderungen mehr vorgenommen. Eine Presseerklärung der Regierung wurde bereits vor dem Gipfel verteilt. Von unseren Lösungsvorschlägen und Eingaben findet sich kaum eine Spur.

Wie war die Reaktion auf Ihre Absage?

Ungläubig und verärgert – und das war der gewünschte Effekt. Denn zumindest haben wir so auf die Missstände und die ‚Nichtwahrnehmung‘ aufmerksam gemacht, die uns immer wieder entgegenschlägt. Wären wir dabei gewesen, hätte man uns am Sonntag auf die Schulter geklopft, und am Montag, im Lichte der Realität, hätten all die hehren Vorhaben keinerlei Substanz beinhaltet.

Inwiefern fehlt Ihnen die Substanz?

Ein Beispiel ist, dass wir die vorgesehene AfA als Wohnungsbaugenossenschaften nicht nutzen können, weil unsere Investitionen so hohe Verlustvorträge nach sich ziehen, dass wir gar nichts abschreiben könnten. Ein anderes Beispiel ist das sogenannte Investitions- oder Wachstumschancengesetz: Darin wird die Abschreibung für den Klimaschutz verbessert – nur nicht für die Immobilienbranche. Dazu hieß es von der Politik, die EU erlaube die Abschreibung für den Immobiliensektor nicht – was nicht stimmte, da dies seit Juli 2023 sehr wohl der Fall ist. Ich kann dazu nur sagen, dass man sich so verraten, bestenfalls noch veräppelt vorkommt.

Was wäre denn aus Ihrer Sicht durch einen fachlichen Dialog möglich gewesen?

Es wäre möglich gewesen, den Neubauabsturz abzumildern. Dafür hätte es in einem neuen Bereich des geförderten Wohnens übrigens deutlich weniger Subvention bedurft als im bisherigen überwiegend angebotenen Bereich der bei Mieten von 5-8 Euro Miete pro Quadratmeter liegt. In einem neuen Bereich mit Mieten von 9-12 Euro wäre mit wenig Geld sehr viel mehr an neuen Wohnungen möglich.

Was glauben Sie, ist die politische Absicht dahinter?

Hier wird Politik nach Kassenlage gemacht: Man bringt gerade so viel aufs Tableau, wie man glaubt, noch verantworten zu können. Aber das Problem ist, dass wir so mit Ansage in ein sozialpolitisches Fiasko laufen. Für ein Industrieland wie Deutschland sind die formulierten politischen Ansprüche nicht erfüllbar. Wir haben eine Politik der Worthülsen, was sich besonders beim Thema Nachhaltigkeit zeigt, sei es im Hinblick auf das Heizungsgesezt oder auf die energetischen Sanierungspflichten gemäß Gebäudeenergiegesetz (GEG): Das hierfür notwendig gewordene Eigenkapital überfordert Eigentümer wie Unternehmen. Auch jene, die hier vorangegangen sind, segeln inzwischen ‚hart am Wind‘. Stattdessen brauchen wir dringend reale Investitionen in Neubau und Bestand.

Sie kritisieren auch, dass es kein Gesamtkonzept, sondern nur Einzelmaßnahmen gibt.

Ja, es fehlt eine Gesamtstrategie. Zunächst einmal braucht es einen deutlich reduzierten Zinssatz. Die KfW müsste diesen auf etwa zwei Prozent absenken. Auch die Mehrwertsteuer könnte im Baubereich herabgesetzt werden – zusätzlich zu anderen Fördermaßnahmen, weil derzeit ohne Bezuschussung kein bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden kann.

Was sollte die Politik noch für das Bauen tun?

Es müssen alle drei Handlungsebenen umdenken. Auf kommunaler Ebene werden noch immer zu viele Zusatzinvestitionen gefordert. Auf Länderebene ist es sehr schwierig, die Bundesländer dazu zu bringen, sich auf eine gemeinsame Bauordnung zu einigen, etwa bei der Typenbauweise. Und der Bund muss mit dem jetzigen ‚Bündnis bezahlbarer Wohnraum‘ zügig und lösungsorientiert handeln.

Sie empfahlen Steuersenkungen. Welcher Politiker würde das wollen? Ist das nicht auch etwas unrealistisch?

Nein, denn geht man von einer Staatsquote zwischen 25 und 38 Prozent aus, wie es derzeit der Fall ist, entgehen dem Staat erhebliche Geldflüsse, wenn nicht gebaut wird. So wird sich die Situation mit jedem Jahr verschlimmern, auch der Arbeitsmarkt wird betroffen sein und die anwachsende Wut der Menschen wird sich weiter ausbreiten. Selbst wenn man sofort gegensteuern würde, wird es Jahre dauern, die Wohnungskrise zu beheben. Stattdessen bewegen wir uns mit Lichtgeschwindigkeit in die entgegengesetzte Richtung.

 

Lesen Sie Teil 2 des Interviews mit Axel Gedaschko (GdW) und seine Kritik der ‚Nachhaltigkeit‘ (s.u.):

 

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Axel Gedaschko, Präsident des GdW, im Interview