Expo Real 23: ‚Alles bleibt anders‘

Im Vergleich zu den Vorjahren war die Expo Real 2023 eine ruhigere, eher nachdenkliche Veranstaltung. Viele rechneten damit, dass die Stagnation der Immobilienmärkte weiter andauert.  
Ein Beitrag von Jens Wilden, freier Redakteur & Irmelin Ehrig, Chefredaktion Immobilien-Projekt im Fokus
@ Jens Wilden
Expo-Real-Panel 2023 „Who should pay for it?“ mit Dieter Becken (BECKEN), Arnaud Ahlborn (Industria Wohnen) Michael Keune (Catella), Sascha Nöske (Strategie AG) und Moderator Michael Fabricius (DIE WELT)

Etwa 40.000 Teilnehmer zeigten auf der diesjährigen Expo Real in München, dass der Gesprächsbedarf in der Branche hoch ist. Fragte man die Aussteller, wie sie die Messe wahrnehmen, hieß es oft, es gebe „gefühlt 20% weniger Besucher“ – wir hatten jedoch viele interessante Gespräche…“ Tatsächlich ist die Anzahl der Besucher gegenüber dem Vorjahr sogar geringfügig angestiegen, während es rund 1.850 Aussteller und damit rund 50 Stände weniger gab als noch 2022. Der Eindruck, dass die Messe verhaltener war, könnte also durch die vermehrten Freiflächen und Expo Real Lounges entstanden sein, aber auch durch die eher gedämpfte Atmosphäre und weniger konkretes Geschäft. Zudem war der 1. Messetag etwas geringer frequentiert als der zweite.

Durchwachsenes Bild

Die Fragen, wie es weitergeht, wo die Branche und wo man selbst genau steht, war für die Messeteilnehner das überspannende Thema. Niklas Jahn, Projektmanager bei Catella fasst zusammen: „Wir hatten den Eindruck, dass auf der diesjährigen Expo Real vorrangig die neue Situation der Immobilienwirtschaft sondiert wurde.“ Er schätzt, dass sich mit der veränderten Marktlage bald auch neue Opportunitäten ergeben würden. Vorerst erwartet er jedoch, dass die Stagnation anhält. Holger Römer, Sprecher der Zech Group, erklärt, die Messe gebe ein „positiveres Bild ab als vermutet“. Mehrere Aussteller betonten zudem, dass die Stimmung am Stand sehr gut gewesen sei. Mike Herberholz, Projektmanager und Leiter Technik bei Fokus Development, ist bezüglich der Messe sehr zufrieden. Sie habe den Erwartungen entsprochen, die Terminkalender seien voll gewesen und man bringe auch weiterhin Projekte an den Start: „Wenngleich die aktuelle Marktsituation schwierig ist – auf der Messe daran erkennbar, dass teilweise große Stände durch Lounges ersetzt waren – werden sich die Baupreise auch wieder normalisieren, so wie es bei etlichen Materialpreisen bereits der Fall ist. Auch die Zinsen werden sich absehbar auf einem stabilen Niveau einstellen.“

Viele Lösungen liegen in der Politik

Wie groß der Diskussionsbedarf in der Immobilienbranche ist, zeigte sich auch an den stark besuchten Konferenzen und Panels, in denen es nicht nur um ESG, Digitalisierung oder Aspekte des demographischen Wandels ging, sondern auch um Themen wie finanzierbaren Wohnungsbau oder die Aussichten am künftigen Immobilienmarkt. Bei den meisten Problemanalysen und Lösungsansätzen wurde auf den Staat verwiesen. Dieter Becken, Geschäftsführender Gesellschafter der Becken Holding GmbH, Hamburg, äußerte sich etwa auf dem Panel „Wer soll das bezahlen? Wohnimmobilien zwischen Baustopp und energieeffizienter Sanierung des Bestands“ * mit deutlichen Worten: „Die Rahmenbedingungen für das Bauen stimmen nicht mehr, besonders der frei finanzierte Wohnungsbau kann unter den derzeitigen Auflagen und Kostensteigerungen nicht mehr wirtschaftlich vertretbar realisiert werden.“ Die Problemlösung an diesem Krisenpunkt benannte er klar: „Der Staat muss jetzt handeln und für eine gewisse Zeit die Steuerbelastung im Wohn- und Gewerbebau massiv senken. Pro Quadratmeter Wohnfläche liegt beispielsweise die Steuerbelastung bei rund 37%. Das heißt, in der Bau- und Immobilienwirtschaft muss wieder eine produktive, gesellschaftsverträgliche Wirtschaftspolitik umgesetzt werden. Sonst stehen in den nächsten zwei bis drei Jahren viele Menschen ohne Dach über dem Kopf auf der Straße, weil der Wohnraum fehlt und die Mieten unbezahlbar geworden sind.“

Positive Wendung bis Ende 2024 oder erst in 3-5 Jahren?

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wegen der großen Unsicherheit am Markt offenbar der Austausch in Einzelgesprächen und auf den Veranstaltungen besonders wichtig war. Vielerorts wurde die Politik als Hauptproblem für die schwierige wirtschaftliche Gesamtlage adressiert. Bei der Einschätzung, wann sich der Immobilienmarkt wieder beleben könnte, gingen die Meinungen teils stark auseinander. Die einen vermuteten, dass sich, wenn der Zenit der Zinserhöhung überschritten sei, der Markt bereits 2024 oder ab Ende 2024 erholen könnte. Andere hielten eine Verbesserung erst in drei bis fünf Jahren für realistisch. So erwartete Professor Dr. oec. Hanspeter Gondring, Geschäftsführender Gesellschafter und Wissenschaftlicher Leiter der ADI Akademie der Immobilienwirtschaft GmbH, dass sich die Inflation wie die Zinsentwicklung erst ab 2027 wieder normalisieren werde.

 

(*) Originaltitel Panel: „Who should pay for it? Residential real estate between a freeze on new construction and energy-efficient refurbishment of the existing stock“