Neue Konzepte für Retail

Corona hat den Wandel im Retail-Segment vorangetrieben. Lars Jähnichen, Geschäftsführer der IPH-Gruppe, sieht darin auch neue Chancen. Ein Interview von Irmelin Ehrig.
Unser Bei­trag erscheint auch im Newsletter und auf der Website des immo­bi­li­en­ma­na­ger.
pixabay
Der stationäre Einzelhandel ist nicht erst seit Corona schwierig geworden.

Herr Jähnichen, wo steht die Handelsimmobilie heute?

Der Markt hat sich stark verändert. Klar zu unterscheiden sind die strukturellen Faktoren von den vorübergehenden Effekten der Pandemie. Strukturell hat sich in den letzten zehn Jahren schon ein erheblicher Bedarfsrückgang bei den Retail-Flächen gezeigt, weil sich ein wachsender Marktanteil auf den Online-Handel verlagerte. Der sich verschärfende Wettbewerb zwischen Online-Angebot und Verkauf im Geschäft führte dazu, dass sich viele Händler aus den Retail-Objekten zurückgezogen oder ihre Flächen verkleinert haben. Bereits 2019 waren Textil- und Schuhhandel, Lederwarenbranche und Unterhaltungselektronik davon stark betroffen. Ergebnis dieser Dynamik ist, dass sich das Segment vom Vermieter- zum Mietermarkt gewandelt hat.

Was erwarten Sie für die kommenden Jahre?

Bis 2030 dürfte das Verhältnis zwischen Online- und stationären Einzelhandel in den für unsere Städte und Shoppingcenter wichtigen Warengruppen wie Bekleidung und Schuhe/Lederwaren bei 50:50 liegen. Die Corona-Pandemie wirkte – trotz Lockdowns – dabei letztlich „nur“ beschleunigend.

Welchen Einfluss hat das auf die Projektentwicklung?

Die Entwicklung neuer Center ist nahezu zum Erliegen gekommen, im Fokus steht jetzt der Bestand, die Revitalisierung der circa 480 Shoppingcenter in Deutschland. Denn um die Immobilie wertschöpfend zu betreiben, reicht es heute längst nicht aus, die Objekte ordentlich zu verwalten. Um einen attraktiven Return on Investment und stabilen Cashflow zu generieren, braucht es neue Investitionen und Immobilienkonzepte.

Wie werden sich die Mieten entwickeln?

Zu berücksichtigen ist, dass die Mieten insgesamt dennoch weiter sinken werden. Die Rückgänge liegen an B- und C-Standorten aktuell bei circa zehn Prozent gegenüber 2015. Ausgenommen sind die guten Lagen in den Top-7-Metropolen, die kaum Beeinträchtigungen verzeichnen. Die Businesspläne vieler Immobilien müssen spätestens infolge der aktuellen Krise deutlich angepasst werden.

Aber es zeigt sich auch, dass mit standortgerechten Konzepten ein rentabler Betrieb dieser Immobilien sehr gut möglich ist. Neben anderen Nutzungen wie Coworking oder Coliving bietet sich gerade bei tiefen, dunklen Handelsflächen deren Umwandlung in Freizeit- oder Logistikflächen an.

Wie wird das Asset in Zukunft aussehen?

Handel gehört als Kernfunktion in die Städte, und umgekehrt sind Städte aus dem Handel entstanden. Deshalb wird Retail auch dann ein wichtiges Immobilieninvestment bleiben, wenn weniger Flächen von den Händlern nachgefragt werden. Der Trend geht hin zu einer Durchmischung der klassischen Shoppingmeilen mit Büro, Gewerbe, Hotel und Wohnraum, was wiederum die Lebensqualität in den Städten erhöhen wird und neue, zusätzliche Klientel für den Einzelhandel erschließt.

Haben Sie ein konkretes Beispiel?

Aktuell integrieren wir in eines der von uns gemanagten Shoppingcenter im ersten Obergeschoss Coworking-Spaces und ein Hotel, was sich beides positiv auch auf den Einzelhandel und insbesondere auf die Gastronomie am Standort auswirken wird. In vielen Centern werden künftig eher zwei als drei Ebenen mit Retail bespielt werden.

Fest steht, dass Handelsimmobilien künftig dann erfolgreich sind, wenn sie aktiv gemanagt und den Marktgegebenheiten vor Ort angepasst werden. Daher sollten Investoren bereit sein, in ihre Handelsimmobilien zu investieren, um sie fit für die nächsten Jahre zu machen. Dann werden die neu konzipierten Handelsimmobilien nach wie vor ein interessantes, solides Asset bleiben.

 

Wie das Asset derzeit von Investoren gesehen wird, erfahren Sie in unserem Format „1 Frage – 3 Antworten“  mit DEKA aus Sicht der privaten Investoren, Deutsche Oppenheim für Family Offices und Catella für Institutionelle Investoren. (s.u.)

Schon vor der Pandemie litt die Einzelhandelsimmobilie unter dem wachsenden Online-Handel. Die Corona-Krise führte zu erheblichen Umsatzeinbrüchen und endgültig zum „Aus“ für einige größere und kleinere Player.
Aus unserer Reihe „1 Frage – 3 Antworten“: Drei Experten aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu einer Fachfrage.