Lässt sich noch gewinnbringend bauen?

Welche Strategien verfolgen Entwickler, Investoren und Bauunternehmer angesichts einer zunehmend schwierigen Finanzierungs- und Marktlage, die insbesondere aus den Zinserhöhungen seit 2022 und der weiteren Verschärfung des (GEG) resultieren?
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Die schnelle Zinsanhebung der EZB, die Energiekrise und die Inflation bremsen das Marktgeschehen. Das spiegelt sich auch in den BF-Quartalsbarometern 2023 (Bulwiengesa) wider, die bei der Immobilienfinanzierung im September 23 einen Tiefpunkt von -20,22 Punkten verzeichneten. Komplex wird die Lage durch eine zunehmende politische Regulierung, die Investitionen und der Wirtschaftlichkeit von Projektentwicklungen entgegensteht, ob Gebäudeenergiegesetz (GEG), CO2-Besteuerung oder hohe ESG-Anforderungen.

Wohnungsbau in der Krise

Stefan Wulff, Geschäftsführer der Immobilien- und Bauunternehmens Otto Wulff, sieht im Wohnungsbau die größte Herausforderung. Der Absatz sei um 70 bis 80 Prozent eingebrochen und unter den aktuellen Finanzierungsbedingungen ließen sich weniger Wohnprojekte gleichzeitig an den Markt bringen als früher. „Wir haben viele unserer Objekte in Mietwohnungsneubau umgewandelt und behandeln sie wie eigenen Bestand, bevor wir sie am Markt anbieten.“ Für das Gros der Bevölkerung sei allerdings ein bezahlbares Wohnangebot mit Mieten um zehn oder 14 Euro pro Quadratmeter wirtschaftlich schon länger nicht mehr realisierbar. „Dieses Segment wird am dringendsten gebraucht, aber es gibt keine Förderung dafür. Unser Ansatz ist, beim Wohnen verstärkt auf Erbbaurecht mit 90- bis 200-jähriger Preisbindung zu setzten und so die Gesamtkosten der Herstellung und die Mieten geringer zu halten.“ Zugleich hat Otto Wulff seine Geschäftsfelder als Projektentwickler und Bauunternehmer frühzeitig diversifiziert. Das Spektrum reicht heute vom Wohnungs- und Gewerbebau bis zu Spezialgebieten wie Schul- und Krankenhausbau oder Infrastrukturbau.

Auch andere Entwickler strukturieren ihre Wohnprojekte um. „Wir haben Wohnungsbauprojekte an sehr guten Standorten in der Berliner City weiterentwickelt und bieten nun eher kleinere Grundrisse und Mikro-Apartments an. Zudem sind Blockverkäufe für uns interessanter geworden“, berichtet Bardolf Wilden, Projektentwickler und geschäftsführender Gesellschafter der W&N Immobilien-Gruppe. Investoren würden wohl künftig auch wieder mehr auf die Vertriebssparte von W&N zurückgreifen. „Außerdem forschen wir an einem nachhaltigen und kosteneffizienten Heizsystem für unsere künftigen Wohnprojekte.“ Zur allgemeinen Lage meint er, dass weder die geplanten Förderungen noch eine Absenkung der Grunderwerbssteuer ausreichen würden, um den Wohnungsbau wiederzubeleben. Diese Maßnahmen könnten allenfalls Teil eines wirtschaftlichen Gesamtkonzepts sein.

Für Pepijn Morshuis, CEO der Trei Real Estate GmbH, internationaler Projektentwickler und Asset-Manager für Wohn- und Einzelhandelsimmobilien, ist der Mietwohnungsneubau in Deutschland unattraktiver geworden: „Wir bauen zwar noch Wohnungen in Deutschland, aber etwas weniger im Vergleich zu unseren Aktivitäten in Polen und den USA. Derzeit entwickeln wir in Deutschland 1.400 Wohnungen, in den USA 2.200 und in Polen 2.300. Der Hauptgrund für die verstärkte Verlagerung unserer Aktivitäten ins Ausland ist die hohe Regulierungsdichte und die schwierigen Genehmigungsprozesse hierzulande. Wenn ein B-Plan-Verfahren teilweise mehr als zehn Jahre dauert, dann ist das für den Bauherrn nur noch frustrierend.“

Abwarten und neu justieren

Mittelständische Developer warten weiterhin ab, bevor das nächste Großvorhaben an den Start geht. „Wir werden frühestens Mitte 2024 wieder anfangen zu bauen, wenn sich die Rahmenbedingungen normalisiert haben“, erklärt Hendrik Kappe, Geschäftsführer der Kappe Projektentwicklung. Das Unternehmen konzentriert sich auf Spezial- und Nischen-Segmente wie Mikro oder Senior Living. Darüber hinaus beschäftigt sich Kappe wieder intensiv mit der stationären Pflege und möglichen Komplementäreinrichtungen.

Die 2022 gegründete Investmentgesellschaft Westgard fokussiert sich von Anfang an ausschließlich auf die Entwicklung für den eigenen Bestand. „Die Immobilienwirtschaft befindet sich im Wandel. Wir werden dauerhaft mehr Eigenkapital für die Entwicklungen einsetzen müssen. Unsere Ankäufe und Investitionen sind deshalb auf eine langfristige Wertschöpfung der Immobilien ausgerichtet“, erläutert Philipp Tecklenburg, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von Westgard. Darüber hinaus würden Gewinne aus risikoaffineren Investments wie opportunistischen Ankäufen generiert. Auf dieser Basis erziele er stabile Erträge und könne das Portfolio stetig ausbauen. „Bei unseren Quartiersentwicklungen verfolgen wir innovative synergetische Ansätze, die gewerbliche Nutzerinteressen verbinden und für deren Prosperität wir als Eigentümer die Verantwortung übernehmen.“ Damit könnten sowohl die Nutzer als auch Städte und Gemeinden von den Standorten profitieren.

Zwischen Optimismus & Skepsis

Das Multi-Family-Office Pamera hält „Immobilien in jedem Zyklus für interessant“, allerdings müsse sich zunächst die Kluft zwischen Käufern und Verkäufern noch weiter schließen, so Christoph Zapp, geschäftsführender Gesellschafter von Pamera Real Estate Partners. Er geht davon aus, dass die Kaufpreiskorrekturen in den nächsten 12 Monaten abgeschlossen werden, sobald es eine Aussicht auf tendenziell fallende Zinsen gibt. Prof. Dr. Steffen Sebastian (BF-Quartalsbarometer) sah bereits im März 2023 die Risiken auch in den Plänen des Wirtschaftsministeriums und den Sanierungsvorschriften der EU, die weite Teile der Bestandsimmobilien unrentabel machten. Christian Sternberg, CFA des Multi-Family-Office Marcard, Stein & Co., betrachtet den Zinsanstieg zwar als eine „schmerzhafte Korrektur“, der aktuelle Zinssatz sei aber langfristig gesehen ein guter Wert. „Der schnelle Zinsanstieg ist das Problem und der Druck auf die Grundstückswerte aufgrund gestiegener Bau- und Finanzierungskosten . Viele Entwickler haben sich noch zu Höchstpreisen Grundstücke gesichert, die sie jetzt weder bebauen noch veräußern können. Doch auch das wird sich ändern. Aufgrund der fundamental gesunden Nachfrage sehe ich eine Immobilienkrise im engeren Sinne nicht.“

Für die Bauprojekte sieht Jürgen Brandstetter, Partner bei Drees & Sommer, keine kurzfristige Entspannung, da die „Erkenntnisse von gestern oft durch neue Entwicklungen von morgen“ überholt seien. „Die Herausforderungen sind sehr groß, weil die Variablen auf der Realisierungsseite nur schwer greifbar und einschätzbar sind, wie die Entwicklungen im Bereich Ressourcenverfügbarkeit, steigende Lohn-/Materialkosten, Lieferbedingungen/-engpässe, Liquidität und Inflation.“ Um diese Prozesse effizient voranzutreiben, sei eine flexible Projektsteuerung und -abwicklung erforderlich, um sowohl die Kleinteiligkeit der Themen zu berücksichtigen als auch das Gesamtziel im Blick zu behalten. Dr. Herwig Schwarz, Unternehmensbereichsleiter Strabag Real Estate, erklärt: „Wir müssen die Kostensteigerungen mit Kapitalstärke, angemessenen Risikopuffern und langjähriger Erfahrung kompensieren. Die Zeiten immer weiter steigender Verkaufsfaktoren sind vorbei.“

Fazit: Die Ansätze der Marktteilnehmer sind sehr individuell, Anpassungswille und -fähigkeit groß. Das lässt sich besonders am Mittelstand erkennen, der stärker an das Regionalgeschäft gebunden ist und flexibel zwischen Zurückhaltung, Eigeninitiative und Anpassung der Geschäftsfelder agiert. Sollten sich die politischen Rahmenbedingungen nicht verbessern, könnten diese Fähigkeiten der Unternehmer zunehmend herausgefordert sein.