Expo Real 2023 – Lösungen in der ‚Patt-Situation‘?

Der Immobilienmarkt stagniert und die Bautätigkeit nimmt weiter ab. Was lässt sich von der Expo Real 2023 erwarten?
Dr. Andreas Muschter FRICS, CEO DACH Edge, im Interview
© Edge

Herr Dr. Muschter, die Expo Real steht vor der Tür. Wenn man sich umhört, fährt der überwiegende Teil der Besucher mit einer positiven Grundstimmung nach München, trotz aller Unsicherheiten und Schwierigkeiten. Auch Ihr Terminkalender ist voll. Was sind für Sie die wichtigen Themen in München?

Ja, die Situation ist in der Tat schwierig und bei den meisten Marktteilnehmern ist Nervosität zu spüren. Es ist fast gleich, wo man sich in der Branche umschaut, es passiert wenig, Baustellen ruhen, es kommt nur zu wenigen Abschlüssen in Neubau und Bestand. In dieser Situation geht es darum, dass alle Verantwortlichen in Deutschland möglichst schnell verstehen, dass wir zwar die nötigen Ressourcen und jede Menge Arbeit haben, aber die aktuellen Preiserwartungen keinerlei Spielraum für das Geschäft geben. Diesbezüglich sind uns andere Länder voraus, die diese Situation als „new normal“ angenommen haben und damit konstruktiv umgehen. Ein weitere sehr aktuelle Herausforderung besteht darin, den Bestand energetisch zukunftsfähig zu ertüchtigen, also „brown to green“.

Vor rund einem halben Jahr, nach der MIPIM, haben Sie formuliert, dass es zu erheblichen Preisanpassungen kommen müsste, damit die Märkte wieder hochfahren. Wo stehen wir diesbezüglich heute?

Gegenwärtig nehme ich vor allem eine Patt-Situation im Trio Eigenkapital, Mezzaninekapital und Fremdkapital wahr. Zwar ist das Eigenkapital zurückgegangen, allerdings liegt in diesem Part meist auch das Immobilien-Know-how, und deshalb scheut sich der Mezzanine-Geber häufig, in diese Position einzutreten. Selbst wenn er das tun möchte, können die Banken oft widersprechen oder das Darlehen fällig stellen, was ein Mezzanine-Geber üblicherweise nicht erfüllen kann. Es fehlt meist ein konstruktiver Weg, der aus dieser Situation herausführt. Die Insolvenzen, die wir aktuell beobachten, sind die destruktivsten „Lösungen“. Die Aufgabe besteht also für dieses Trio darin, gemeinsam Lösungen zu entwickeln, damit die Bautätigkeiten fortgesetzt und wieder hochgefahren werden. Der Status quo ist für Projektentwickler, Baufirmen und last but not least auch die Städte und Kommunen extrem schwierig. Wir hoffen sehr, dass wir an der ein oder anderen Ecke Teil der Lösung sein können und werden.

Hat sich bei Finanzierungsbereitschaft der Banken in den vergangen sechs Monaten etwas verändert?

Ja, Banken sind verständlicherweise noch vorsichtiger geworden. Wir haben die ersten Risikovorsorgen auf Immobilienportfolien gesehen. Das führt natürlich nicht dazu, dass der Appetit auf Neugeschäft bei Banken zunimmt.

Edge hat sich in Deutschland als Entwickler von High-End-Offices profiliert. Nun laden Sie den in diesem Jahr gegründeten „Verband für Bauen im Bestand“ für das Panel „Der Verstand sagt: Bestand!“ zu sich auf den Stand bei der Expo Real ein. Was macht Bestand für Edge interessant?

Das Motto „Der Verstand sagt: Bestand!“ bringt es auf den Punkt. Denn Neubauprojekte machen auch in guten Jahren nur rund 1%-2% des gesamten Baubestands aus. Deutschland ist im Grunde fertig gebaut. Um also den Shift zu einem energetisch nachhaltigen Immobilienbestand möglichst rasch hinzubekommen, müssen wir mit Elan an den Bestand ran. Dazu gibt es keine Alternative. In Deutschland fehlt uns da jedoch an vielen Stellen noch das richtige Mindset. Das ist zum Beispiel in den Niederlanden anders. Dort macht Edge seit rund 10 Jahren sehr gute Erfahrungen mit Refurbishments. Dazu grundlegend sind die Bereitschaft für Kompromisse und eine kollaborative Kultur. Bestandsentwicklung birgt enorme Potenziale: Sie hat das Zeug dazu, nachhaltiger, schneller und günstiger als Neubau zu sein.