Mehr Marktdynamik ab 2024?

Hat das ‚Repricing‘ schon begonnen? Ist die Talsohle 2023 erreicht? – Im Gespräch mit Andreas Trumpp (Colliers Deutschland) über sein Fazit aus neuen Studien zur Markt- und Asset-Entwicklung. Unser Beitrag ist auch auf immobilienmanager.de erschienen.
Andreas Trumpp, Head of Market Intelligence & Foresight Colliers
Andreas Trumpp
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Andreas Trumpp, Head of Market Intelligence & Foresight Colliers

Herr Trumpp, seit der Zinswende der EZB im Juli 2022 ist das Transaktionsvolumen deutlich zurückgegangen. Wie ist die Lage am Immobilienmarkt zur Halbzeit 2023?

Seit der Zinswende hat sich das Transaktionsvolumen nahezu halbiert, von 60,1 auf 34,2 Milliarden Euro. Durch die rasante Erhöhung des Leitzinses mit 400 Basispunkten innerhalb von nur 18 Monaten sind die Immobilien- und Projektinvestitionen stetig wechselnden Bedingungen ausgesetzt. Angesichts eines Leitzinses von zurzeit 4,5 Prozent, Finanzierungszinsen von ca. 4,5 Prozent sowie steigenden Eigenkapitalanforderungen und sinkenden LtV halten sich die Investoren weiter zurück.

Vor allem die schnellen Zinsschritte sind ein Problem für die Branche?

Ja, denn für diejenigen, die im Niedrigzinsumfeld kalkuliert haben, ist die Situation bei der Refinanzierung schmerzhaft und mündet bei einigen bereits in Insolvenzen. Hinzu kommt, dass der Anstieg des Leitzinses seinen Höhepunkt noch nicht erreicht hat. Wir gehen davon aus, dass die EZB mindestens einen weiteren Zinsschritt machen wird, voraussichtlich im Herbst 2023. Ein rückläufiger Zins aufgrund der Rezession ist nicht zu erwarten. Das werden wir erst ab 2024 sehen. Grund dafür ist, dass sich die Effekte einer Zinssenkung stets zeitversetzt bemerkbar machen, nach zirka 6 bis12 Monaten.

Wie wirken sich diese Entwicklungen auf den Investmentmarkt aus?

Die neuen Rahmenbedingungen zwingen Investoren dazu, mehr Eigenkapital bei den Refinanzierungen einzusetzen. Diese Gelder werden zwar dem Marktgeschehen nicht entzogen, fehlen aber bei Ankäufen und dämpfen in der Summe die Dynamik. Auch wenn die Immobilienrenditen bei den stattfindenden Deals gestiegen sind, haben sich die Risikoprämien deutlich verringert. Zugleich hat die nachlassende Marktaktivität den Abstand zu anderen Anlageformen wie Anleihen oder Aktien maßgeblich abgeflacht. Der Unterschied liegt bei nunmehr etwa 150 statt bei 270 Basispunkten (HJ1/2022). Das lässt sich am hohen Kapitalabfluss aus Immobilien-AIF ablesen. Damit steht dem Immobilienmarkt weniger „Dry Powder“  zur Verfügung.

Sehen wir derzeit schon eine Preiskorrektur?

Bereits seit Jahresbeginn befinden wir uns in einem Korrekturprozess, der aber noch nicht abgeschlossen ist. An den Kapitalwerten zeigt sich seit Anfang 2022 ein Preisrückgang von 20 bis 30 Prozent. Wer jetzt verkauft, erzielt deutlich weniger Rendite. Und der, der bei der Refinanzierung seine Strukturen beibehält, dem könnten Ausschüttungen und Wertsteigerungsrenditen rapide abschmelzen. Gleichzeitig gilt aber auch, dass wieder günstiger eingekauft werden kann. Insofern eröffnen sich für Anleger neue Chancen.

Was bedeutet das für Projektentwickler?

Entwickler, die ihre Projekt- und Finanzierungskosten nicht gesichert haben, geraten zunehmend in Schwierigkeiten. Besonders dann, wenn sie in der Hochphase 2018-21 gekauft haben und jetzt mit 30 Prozent Preisabschlag veräußern müssen. Viele haben begonnen, sich breiter aufzustellen, etwa indem sie mehr auf Bestandshaltung setzen und ins Fondsmanagement eingestiegen sind.

Wie werden sich die Assets in den nächsten Monaten entwickeln?

Wir befinden uns in einer Rezession und das spiegelt sich auch bei den Assets wider. Logistikimmobilien hatten während der Coronajahre durch Lieferengpässe, Lagervorhaltung und den explodierenden Onlinehandel eine Hochphase, die nun abflaut. Das Segment ist aber mit nur 3 Prozent Leerstand weiterhin stark und es kommen weniger Flächen neu auf den Markt. Bei den Büroimmobilien waren in den vergangenen Jahren ebenfalls 3 Prozent Leerstand zu verzeichnen, ein historischer Tiefststand. Aktuell sind wir bei 5,4 bis 5,5 Prozent. Das deutet noch nicht auf Probleme hin. In Kombination mit den zahlreichen Fertigstellungen, die jetzt folgen, und der rückläufigen Nachfrage dürfte sich dies aber ändern. Eine dramatische Situation erwarten wir nicht, weil viele ältere Flächen durch die ESG-Anforderungen aus dem Gewerbemarkt herausfallen. Je nachdem, welche Kosten man für die Ertüchtigung ansetzt, könnten bis zu 69 Prozent des Bürobestands veralten.

Was passiert mit den Flächen?

Man könnte sie anders nutzen. Sicherlich wird es nicht möglich sein, alle Büroflächen in Wohnimmobilien umzuwandeln. Eine interessante Option sind Drittverwendungen für Mikro-Living oder Hotels. Einiges an Bestand müssen wir ersetzen. Problem hierbei ist, dass ein Abriss künftig die geforderte CO₂-Bilanz der Unternehmen ‚verhageln‘ könnte.

Wie sieht es beim Wohnungsbau aus?

Die Stagnation beim Neubau setzt sich fort. Schwierigkeiten bereiten aber weniger die unkalkulierbar steigenden Kosten als die politischen, noch dazu sprunghaften Eingriffe. In Schweden kann man sehen, dass Vorgaben nicht notwendigerweise Investoren verunsichern. Deutschland arbeitet mit Auflagen nicht nur gegen die Nachfrage, sondern führt auch unnötige Enteignungsdebatten. So rennen wir sehenden Auges und mit voller Geschwindigkeit gegen die Wand. Insofern bin ich beim klassischen Wohnungsbau eher ratlos.

Was ist für die nahe Zukunft zu erwarten?

Die Frühindikatoren an den Finanzmärkten zeigen, dass sich die Finanzierungskonditionen bis Ende des Jahres 2023 auf insgesamt höherem Niveau als vor der aktuellen Krise stabilisieren dürften. Dies schafft Planungssicherheit bei Investoren. Erst dann, frühestens ab 2024, können wir wieder mit mehr Dynamik an den Immobilienmärkten rechnen.