Wie sind Sie zum modularen Bauen gekommen?
Wir sind 2015 über die damals noch als Deutsche Annington firmierende Vonovia zum modularen Bauen gekommen. Das Unternehmen wollte nach Jahren ohne Neubauaktivitäten damit beginnen, bundesweit an mehreren Standorten nachzuverdichten und war auf der Suche nach einem Architekturbüro, das dafür ein Konzept entwickelt, das seriell-industrielle Herstellungsmethoden einbindet. Dass es am Ende das modulare Bauen werden würde, war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht klar. Wir haben uns mit Freude darauf gestürzt, obwohl es ein völlig anderes Arbeiten ist. Wir begannen, unabhängig von der Bauweise, modulare Einheiten zu entwickeln, angefangen mit einzelnen Zimmern. Aus den Zimmern werden Wohnungen, aus den Wohnungen ein Haus. Wir haben also die übliche Reihenfolge ein wenig auf den Kopf gestellt. Und wir begannen mit neuen Begriffen zu arbeiten: Man konfiguriert Module – ein Begriff , bei dem man als Architekt aufpassen muss, dass einen die Kollegen nicht schräg anschauen. Letztlich haben wir eine Grundrissmatrix entwickelt und auf modulare Einheiten hin konzipiert, mit der sich im klassischen Wohnungsbau die meisten aller denkbaren Wohnungen konfigurieren lassen. Inzwischen sind wir deutschlandweit mit Wohnungsbaugesellschaften im Gespräch. Leider sind die Vorbehalte noch immer groß.
Bei anderen Bauaufgaben gibt es weniger Vorbehalte.
Modulares Bauen ist ja nichts Neues. Die Moderne hat sich schon vor 100 Jahren mit der seriellen Fertigung auseinandergesetzt. Kitas, Schulen und Krankenhäuser werden seit vielen Jahren modular gebaut. Aber auch Verwaltungsgebäude wie der Büropark von Airbus in Finkenwerder oder das Kölner Arbeitsamt bestehen komplett aus Modulen. Kliniken werden bei laufendem Betrieb nachgerüstet.
Sie sind Architekt und Fürsprecher des modularen Wohnungsbaus. Dafür haben Sie viel Kritik von Kollegen einstecken müssen.
Wir reden hier erst mal nur von einer anderen Bauweise, von anderen Planungs- und Entscheidungsprozessen. Als wir mit dem modularen Bauen vor etwa fünf Jahren angefangen haben, bezogen wir tatsächlich ziemliche Prügel. Unter anderem ging es um die Frage, ob wir nur noch Einheitshäuser bauen wollten. Wir betrachten das Thema Serie als Herausforderung, die Kreativität, Gestaltung und architektonische oder städtebauliche Qualität nicht ausschließt. Wenn man ehrlich ist, ist auch nicht jedes konventionell geplante und realisierte Bauwerk Garant für architektonisch-städtebauliche Qualität. Architektonische Qualität hat erst einmal nichts mit der Bauweise zu tun.
Welche Erfahrungen haben Sie mit der Modulbauweisegemacht?
Wir haben schon einiges an Lehrgeld bezahlt und uns intensive inhaltliche Auseinandersetzungen mit Herstellern geliefert. Es macht einen Unterschied, ob Sie mit einem Hersteller zusammenarbeiten, der für den Bauherren und mit dessen Architekten arbeitet, oder mit einem, der vielleicht schon ein eigenes Produkt hat, das er gern vermarkten möchte. Stahl- und Holzmodulbauer sind flexibler in der Herstellung, bei den Modulabmessungen und damit bei der Logistik als die Hersteller von Betonmodulen. Abgesehen davon haben die Hersteller – lässt man sie alleine agieren – oft einen anderen städtebaulichen und architektonischen Anspruch und andere wirtschaftliche Interessen als wir. Deshalb, und das finde ich sehr, sehr wichtig, dürfen wir Architekten nicht außen vor bleiben.
Welches Material eignet sich am besten für den Modulbau?
Die Module basieren in der Regel auf Stahlbeton, Stahl oder Holz. Jedes Material hat seine spezifischen Eigenschaften und damit Vor- und Nachteile. Es gibt nicht das eine beste Material. Beton hat nach unserer Erfahrung die meisten Hemmnisse. Ihm fehlt die Flexibilität von Holz oder Stahl. In Stahl sind nahezu alle transportablen Breiten und Längen bis zu 21 m möglich – also das, was sich auf deutschen Autobahnen transportieren lässt. Manchmal ist das breite Modul am Ende wirtschaftlicher, trotz höherer Logistikkosten, weil man insgesamt weniger Module braucht. Mit Stahl funktioniert das am besten, mit Holz teilweise, mit Beton in dieser Form nicht. Dafür brauchen Stahl- und Holzmodule immer einen eigenen Boden und eine eigene Decke.
Beim Stapeln der Module haben sie also immer einen „doppelten Boden“. Betonmodule brauchen nur eine Bodenplatte. Beim Stapeln wird diese zur Deckenplatte des darunter befindlichen Moduls. Bei einer Nachverdichtung kann das mit Blick auf Abstandsflächen dazu führen, dass man mit Betonmodulen pro Geschoss etwa 30 cm sparen und so ggf. ein Geschoss mehr bauen kann. Holz wiederum hat den großen Nachhaltigkeitsbonus. Dennoch sind Holzmodule im Wohnungsbau noch nicht so verbreitet. Probleme aus Sicht der Wohnungswirtschaft sind der Brandschutz und die Tatsache, dass ich etwa für die Treppenhäuser dann doch noch Beton brauche. Auch in der akustischen Entkopplung sind noch nicht alle Punkte optimiert. Deshalb läuft es hier oft auf eine Hybridbauweise hinaus. Aber die Hersteller arbeiten alle an diesen Themen. Wir werden zeitnah ein Projekt in Holzmodulen planen, mal schauen, wie der aktuelle Stand der Entwicklung ist.
Wie verändert sich der Planungsprozess?
Da gibt es Parallelen zum Autokauf. Als Kunde nehmen Sie sich Zeit, Ihr neues Auto individuell zu konfigurieren. Sie lassen sich beraten, überlegen noch einmal in Ruhe, rechnen die Kosten, ändern vielleicht nochmal etwas – und dann drückt der Kundenberater auf die Enter-Taste und der Produktionsprozess beginnt. In unserem Fall ist es der Bauherr, den wir bei der Konfiguration seines Projektes beraten. Sie besprechen es mit allen Entscheidern, Herstellern und gegebenenfalls auch Nutzern, diskutieren die Standards und Qualitäten, denken in Varianten und fügen noch letzte Änderungen ein. Erst wenn alles passt, wenn Qualität, Architektur, Materialität und Standards festgelegt sind und der Bauherr sein Projekt komplett „konfiguriert“ hat, wird die Enter-Taste gedrückt. Anschließend beginnt der eigentliche Prozess der Herstellung: Die Module gehen beim Hersteller in die Detailplanung und buchstäblich aufs Band. Im konventionellen Bauprozess gibt es während des Bauens immer wieder Änderungen, dadurch laufen Kosten und Zeit häufig aus dem Ruder und Qualitäten gehen verloren. Stimmt der gerade beschriebene Planungsprozess, wird das beim seriellen Bauen nicht passieren. Sie können ja auch Ihr Auto nicht mehr umkonfigurieren, wenn es schon zur Hälfte übers Band gelaufen ist. Grundsätzlich empfehlen wir jedem Bauherrn, zuerst zu schauen, ob es sinnvoll ist, modular oder seriell zu bauen. Bringt der Zeiteffekt etwas? Ist der Ort für den Transport der Module erreichbar? Das modulare Bauen selbst beginnt klassisch mit dem Planungsprozess. Vieles passiert gleichzeitig und man muss alle Entscheidungen innerhalb der Leistungsphasen 1 bis 4 treffen.
Es spart viel Arbeit und Zeit, wenn man alle potenziell Beteiligten von Anfang an mit einbezieht. Der Abstimmungsprozess dauert so vielleicht etwas länger, dafür ist man später vor Überraschungen und Planänderungen gefeit. Am mühsamsten ist es, alle Beteiligten zu disziplinieren, sie auf die modulare Bauweise und den damit verbundenen Planungs- und Entscheidungsprozess einzuschwören.
Der Modulbauer tritt als Generalunternehmer oder -übernehmer auf und damit auf Augenhöhe mit dem Architekten. Wie beeinflusst das die Zusammenarbeit?
Wir können von den Modulherstellern lernen und die Modulhersteller von uns. Das Modul als solches ist ja schon sehr ausgereift. Ausgebaut wird das Modul aber relativ konventionell. Viele Unternehmen sind offen, wenn man als Architekt kommt und anregt, das ein oder andere doch mal anders zu machen. Wir führen spannende Gespräche mit Zulieferern aus ganz verschiedenen Bereichen. Ein namhaftes Unternehmen aus dem Bereich Elektro- und Schaltertechnik etwa kooperiert mit einem Kabelbaumhersteller aus der Automobilindustrie bei der Herstellung eines modularen Stecksystems für Schalter und Steckdosen. Das reduziert den Materialverbrauch und der Einbau wird sicherer. Alles, was wir von der Baustelle in die Produktionshalle holen können, verbessert die Qualität des Bauens, und Unternehmen zusammenzubringen, die innovativ unterwegs sind, führt immer zu neuen Erkenntnissen und Optimierungen.
Wo sehen Sie die größten Potenziale für den Modulbau?
Ein großes Potenzial des Modulbaus, das in meiner Wahrnehmung bisher noch kaum offensiv als Argument für das modulare Bauen vorgetragen wird, ist der deutlich geringere Material- und Ressourcenverbrauch gegenüber dem konventionellen Bauen. Nach meiner Überzeugung ist dies – neben dem zeitlichen Aspekt und der Qualität – gerade mit Blick auf die aktuellen gesellschaftlichen Diskussionen ein großer Vorteil der modularen Bauweise. Denn ein geringerer Materialeinsatz, der zudem im Vorfeld präzise konfektioniert wird, bedeutet weniger Verbrauch von Ressourcen und weniger Abfall – wichtige Punkte angesichts der Diskussionen über Nachhaltigkeit und die Rolle des Bauens. Auch darum sollten wir Architekten uns nach meiner Überzeugung intensiv mit dem seriell-modularen Bauen beschäftigen.
Das Gespräch führten Thomas Jakob und Heike Kappelt, Redaktion DETAIL. Zum Buchtitel