EZB ohne Ori­en­tie­rung

Auf ihrer Sit­zung am 29. Okto­ber 2020 hat die EZB nichts Wesent­li­ches ent­schie­den. Das ist kei­ne Über­ra­schung – denn was soll sie auch tun? Schon lan­ge for­dert sie von der Fis­kal­po­li­tik mehr Ein­satz. Der ist zwar da, aber die Gel­der wer­den nur sehr lang­sam abge­ru­fen, noch lang­sa­mer als erwar­tet, weil die viel­fa­chen Regu­la­ri­en für die Ver­ga­ben hoch kom­plex sind.
Dr. Otmar Lang
©TAR­GO­BANK AG
Dr. Otmar Lang, Chef­volks­wirt der TAR­GO­BANK

Auch die EZB-eige­nen-Töp­fe, ins­be­son­de­re die des PEPP-Pro­gramms (Pan­de­mic Emer­gen­cy Purcha­se Pro­gram­me), sind noch gut gefüllt; da muss aktu­ell also nicht nach­ge­bes­sert wer­den. Und die Zin­sen – wohin sol­len sie noch fal­len und für was soll das gut sein? Die Minus­zins-Poli­tik hat vor Coro­na weder das Wachs­tum beschleu­nigt noch die Infla­ti­on nach oben kata­pul­tiert.

Kern­in­fla­ti­on fällt seit 2018 in den nega­ti­ven Bereich

Dass die EZB neu­er­dings grü­ne Bonds kau­fen will und ver­stärkt mit der Öffent­lich­keit dis­ku­tiert, erscheint wie Ver­le­gen­heits-Aktio­nis­mus. Zyni­ker wür­den sagen: Wenn man geld­po­li­tisch nichts rei­ßen kann, pro­biert man sich eben auf ande­ren Fel­dern aus. Fakt ist, dass sich die Daten­la­ge in Euro­pa wei­ter ver­düs­tert – vor allem auf den Fel­dern, die die EZB mit steu­ern und beein­flus­sen soll: Die Kern­in­fla­ti­ons­ra­te fällt seit 2018 kon­ti­nu­ier­lich und ist inzwi­schen in den nega­ti­ven Bereich gerutscht. Die Nach­fra­ge nach Fir­men­kre­di­ten sinkt und die Ban­ken ver­schär­fen ihre Kre­dit­stan­dards. Erfolgs­mel­dun­gen sehen anders aus.

Tren­nung von Poli­tik und Noten­bank­po­li­tik erfor­der­lich

Aus Man­gel an Alter­na­ti­ven macht die EZB das, was sie seit Draghi-Zei­ten immer tut: Sie lockert und kün­digt wei­te­re Locke­run­gen an. Doch inzwi­schen wis­sen wir: „What ever it takes“ ist kei­ne Lösung mehr. Frau Lagar­de ver­sucht, die EZB auf poli­ti­sche Zie­le ein­zu­schwö­ren. Doch nicht umsonst hat man gera­de in der alten Schu­le der Bun­des­bank auf die Tren­nung von Poli­ti­kern und Noten­ban­kern stark geach­tet. Geld­po­li­tik hat mit dem Tages­ge­schäft der Poli­ti­ker nicht viel zu tun. Es besteht die Gefahr, dass die EZB sich ver­zet­telt und damit stark in die Abhän­gig­keit der Poli­tik gerät.

So hat die EZB erneut wie­der nur See­len-Mas­sa­ge betrie­ben, indem sie Wach­sam­keit und die Bereit­schaft zum Nach­le­gen signa­li­siert hat. In Wirk­lich­keit weiß Chris­ti­ne Lagar­de nach genau einem Jahr Amts­zeit geld­po­li­tisch nicht mehr wei­ter. Aktu­ell scheint ihre wich­tigs­te Auf­ga­be dar­in zu bestehen, den Kon­troll­ver­lust und die Ohn­macht der EZB zu ver­wal­ten. Und das macht sie sehr gut. Aller­dings muss man ihr zugu­te­hal­ten, dass vie­le ande­re Noten­ban­ken aktu­ell auch nichts ande­res tun.

Was sind die Kon­se­quen­zen für einen Immo­bi­li­en­kre­dit?

Die stei­gen­de Wahr­schein­lich­keit, dass ein Impf­stoff im Früh­jahr 2021 zur Ver­fü­gung steht, hat das Den­ken an den Bör­sen ver­än­dert. Dort wird die Zukunft gehan­delt, also eine Welt, die die Coro­na­kri­se über­wun­den hat. Die Rea­li­tät ist aller­dings eine ande­re. So kön­nen auch die Noten­ban­ken den Hebel nicht jetzt schon umle­gen, sie brau­chen soli­de und nach­hal­ti­ge Ergeb­nis­se, die noch lan­ge nicht vor­lie­gen wer­den. Des­halb wird sich an der gene­rel­len Aus­rich­tung der Geld­po­li­tik erst ein­mal nichts ändern. Die Kre­dit­zin­sen wer­den nied­rig blei­ben. Sie könn­ten aber inzwi­schen ihren Tief­punkt gese­hen haben. Wer also den all­er­güns­tigs­ten Kon­di­tio­nen nach­jagt, der soll­te sich ver­mut­lich all­mäh­lich spu­ten. Für alle ande­ren gilt: Es ist davon aus­zu­ge­hen, dass die Zin­sen auch wei­ter sehr nied­rig blei­ben. Auch unter die­ser, seit der Pfi­zer- bzw. Bio­n­tech-Bekannt­ga­be leicht geän­der­ten Prä­mis­se wird die Nach­fra­ge nach Immo­bi­li­en hoch blei­ben. Denn die Alter­na­ti­ven, also ins­be­son­de­re Ren­ten­wer­te, tun sich schwer, über­haupt einen posi­ti­ven Ertrag zu erwirt­schaf­ten und auch die Ren­di­te von den als ver­gleichs­wei­se sicher gel­ten­den offe­nen Immo­bi­li­en­fonds schmilzt. Mehr als 1,5 bis 2,0 Pro­zent p.a. soll­ten nicht erwar­tet wer­den. So sin­ken die Oppor­tu­ni­täts­kos­ten oder blei­ben unver­än­dert nied­rig, wäh­rend die Immo­bi­li­en­prei­se wei­ter stei­gen. Das macht die eige­ne Immo­bi­lie attrak­tiv. Mit einer Gegen­be­we­gung bei den Immo­bi­li­en­prei­sen soll­te erst bei stei­gen­den Zin­sen wie­der gerech­net wer­den. Wann das sein wird, fällt der­zeit schwer zu pro­gnos­ti­zie­ren. Aber bis eine Umschul­dung ansteht, kön­nen 10 bis 15 Jah­re ver­ge­hen. Vor­sich­ti­ge Inves­to­ren wäh­len daher lan­ge Kre­dit­lauf­zei­ten und rech­nen den Fall durch, dass viel­leicht nach 15 Jah­ren bei einer dann anste­hen­den Umschul­dung der Zins dop­pelt bis drei­mal so hoch ist wie heu­te.

Mit ihrem neuen Inflationsziel hat die EZB ihre ultralockere Geldpolitik gefestigt und damit die Baufinanzierungszinsen wieder sinken lassen. Die US-amerikanische Notenbank dagegen steht vor einer Straffung ihres Kurses: Hohe Inflationsraten und solide Arbeitsmarktzahlen sprechen für ein baldiges Zurückfahren des massiven Anleihekaufprogramms. Auch in Deutschland steigt die Inflation. Einen Überblick gibt Michael Neumann.