Bauzinsen rückläufig – Inflation gestoppt?

Mit ihrem neuen Inflationsziel hat die EZB ihre ultralockere Geldpolitik gefestigt und damit die Baufinanzierungszinsen wieder sinken lassen. Die US-amerikanische Notenbank dagegen steht vor einer Straffung ihres Kurses: Hohe Inflationsraten und solide Arbeitsmarktzahlen sprechen für ein baldiges Zurückfahren des massiven Anleihekaufprogramms. Auch in Deutschland steigt die Inflation. Einen Überblick gibt Michael Neumann.
Micha­el Neu­mann
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Micha­el Neu­mann, Vor­stands­vor­sit­zen­der der Dr. Klein Pri­vat­kun­den AG

Baufinanzierungszinsen: Aufwärtstrend zunächst gestoppt

Die Zinsen für die Immobilienfinanzierung haben sich in den letzten Wochen wieder leicht abwärts bewegt. Die günstigsten Angebote für 10-jährige Darlehen von überregional agierenden Kreditinstituten fangen schon bei 0,56 Prozent an, einzelne regionale Banken liegen mit Bestzinsen mit 0,36 Prozent (Stand 25.08.2021) sogar noch darunter. Dass die Konditionen für Immobilienfinanzierungen gesunken sind, ist eine Auswirkung vor allem der im Juli verkündeten neue Strategie der Europäischen Zentralbank. In der ersten Jahreshälfte sind die Baufinanzierungszinsen leicht gestiegen – bedingt durch die Corona-Impfkampagne und positive Konjunkturaussichten. Diesen vorsichtigen Aufwärtstrend hat die EZB mit der neuen Formulierung des Inflationsziels erst einmal abgewürgt. Denn damit hat sie den Märkten zu verstehen gegeben, dass sie auch bei Inflationsraten jenseits von zwei Prozent den eingeschlagenen Pfad des Gelddruckens nicht so bald verlassen wird.

Dieser Effekt wird auch noch für die nähere Zukunft anhalten, denn eine Seitwärtsbewegung auf diesem niedrigen Niveau lässt Käufern genug Puffer, die Finanzierung in Ruhe zu planen. Sofern sie nicht von Verkäufer-Seite unter Zeitdruck stehen.  Auch mittelfristig wird sich diese Entwicklung nicht groß verändern. Der Druck auf die EZB durch die steigende Inflation wird zunehmen. Die EZB wird aber weiter für ein künstlich niedriges Zinsumfeld sorgen, so dass zwar auch wieder höhere Baufinanzierungszinsen möglich sind, aber mit einer nur flauen Dynamik und geringem Aufwärtspotenzial.

Ausstieg aus den Anleihekäufen – Vorbild USA?

Ende August hat die US-amerikanische Notenbank Fed getagt, um über den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik zu diskutieren. Die Mehrheit der Notenbanker machen sich schon seit längerem für ein Abschmelzen der Anleihekäufe stark, wie auch Protokolle der letzten Sitzung belegen. Argumente für eine geldpolitische Straffung ist vor allem die Kombination aus sich festigender hoher Inflation – aktuell beträgt sie 5,4 Prozent – und der positiven Arbeitsmarktentwicklung. Offensichtlich haben Joe Bidens massive Konjunkturprogramme für eine schnelle Erholung aus der Corona-Krise gesorgt.

Jetzt muss einerseits der richtige Zeitpunkt gefunden werden, die Geldhähne wieder zuzudrehen. Gleichzeitig ist Fingerspitzengefühl und weitsichtige Kommunikation gefragt, um keine Unruhe an den Märkten zu provozieren. Wahrscheinlich wird die Fed noch in diesem Jahr ihre Anleihekäufe drosseln. Die Entscheidung wird sich aber nicht spürbar auf die europäischen Finanzmärkte auswirken, denn die erwarten diesen Schritt und haben ihn bereits eingepreist. Auch als Signal an die EZB wird sie nicht fungieren, dafür findet die EZB noch zu unsichere wirtschaftliche Bedingungen im Euro-Raum vor. Die Ankündigung, die Anleihekäufe zurückzuschrauben, geht den ersten tatsächlichen Reduktionen voraus. Bis die Kaufprogramme beendet sind, vergeht in der Regel ein Jahr. Erst anschließend ist auch die Erhöhung der Leitzinsen möglich.

Galoppiert die Inflation?

Auch in Deutschland blicken einige Marktbeobachter mit Argusaugen auf die Inflation. In der zweiten Hälfte 2020 lagen die Raten durchweg unter einem Prozent, im Dezember sanken sie sogar auf null. Im Januar schnellte die Inflation im Vergleich zum Vorjahresmonat dann sprunghaft auf zwei Prozent an und aktuell beträgt sie 2,1 Prozent. Die Kerninflation wohlgemerkt. Rechnet man die Preisentwicklungen von Energie- und Lebensmittelpreisen mit ein, müssen Verbraucher eine Teuerung von 3,8 Prozent im Vergleich zum Juli 2020 in Kauf nehmen – bzw. zahlen. Und es ist noch Luft nach oben: Laut Experten könnte die Rate noch in Richtung fünf Prozent klettern, was für Verbraucher nicht erfreulich ist, denn viele Dinge des täglichen Bedarfs werden temporär zum Teil deutlich teurer, ohne dass das Einkommen mitwächst.

Die Erschwinglichkeit von Immobilien ist von der derzeitigen Inflation aber nicht direkt betroffen. Ob und wie gut sich Privatpersonen Wohneigentum leisten können, hängt vor allem von der Einkommensentwicklung, den Kaufpreisen und den Bauzinsen ab. Und alle diese Faktoren reagieren nicht auf kurzfristige und vorübergehende Inflationsbewegungen wie wir sie zurzeit sehen. Die Inflation wird angesichts der sich weiter stabilisierenden Wirtschaft in 2022 wieder deutlich nachlassen – zumal die Vergleichsbasis dann ein starkes 2021 ist und nicht, wie jetzt, ein ausgesprochen konjunkturschwaches Pandemie-Jahr mit reduzierten Mehrwertsteuersätzen. Das gilt auch für die Kerninflation im Euro-Raum, die aktuell bei 0,9 Prozent stagniert – deutlich unter dem Ziel von zwei Prozent.

Für Projekt- und Immobilien-Investments ändert sich wenig

Die lockere geldpolitische Hand der EZB sorgt auch bei der Projektfinanzierung bis auf weiteres für sehr günstiges Fremdkapital bei Immobilieninvestitionen über alle Laufzeiten von der Zwischenfinanzierung bis zu 30 Jahren Zinsbindung. So können Investitionen wenigstens auf der Seite der Fremdkapitalkosten solide und langfristig aufgestellt werden. Spannungen entstehen für Investoren zurzeit jedoch auf der Seite der Baukosten durch stark ansteigende Materialkosten und Engpässe. Stieg der Baupreisindex für alle Gebäudearten in Quartal I/2021 noch moderat um 3,1% im Vergleich zum Vorjahresquartal, fällt die Steigerung in Q2/2021 bereits mehr als doppelt so hoch aus – mit einer Bandbreite von 6,2%-6,6%. Das führt bei Projekten zurzeit häufig zu zeitlichen Verschiebungen und Veränderungen der Kostenkalkulation.

 

 

Auf ihrer Sit­zung am 29. Okto­ber 2020 hat die EZB nichts Wesent­li­ches ent­schie­den. Das ist kei­ne Über­ra­schung – denn was soll sie auch tun? Schon lan­ge for­dert sie von der Fis­kal­po­li­tik mehr Ein­satz. Der ist zwar da, aber die Gel­der wer­den nur sehr lang­sam abge­ru­fen, noch lang­sa­mer als erwar­tet, weil die viel­fa­chen Regu­la­ri­en für die Ver­ga­ben hoch kom­plex sind.