Steigende Materialpreise – teure Projekte

Seit Anfang des Jahres 2021 haben viele Baumaterialien eine erhebliche Preissteigerung erfahren. Damit verteuern sich die Projektentwicklungen weiter. Zu Ursachen und Folgen.
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Bewehrung
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Teure Baumaterialien: Der Preis für Stahl hat sich innerhalb eines Jahres verdoppelt.

Bauvorhaben verteuern sich zunehmend, während Kalkulation und Umsetzung immer schwieriger werden. Waren es bislang die Grundstückspreise sowie Kosten für Gebäudetechnik und Nachhaltigkeit, stiegen seit Jahresbeginn 2021 auch die Rohstoff- und Materialpreise – oft sogar explosionsartig – an. So vermeldeten 95,2 % der vom Ifo-Institut befragten Bauunternehmen für das zweite Quartal 2021 steigende Einkaufspreise. Laut Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) haben sich seit Juni gegenüber dem Vorjahresmonat 2020 von Roh- bis zu den Verbundstoffen die Preise teils um 50 % und mehr erhöht. Preise für Mineralölerzeugnisse, die in der Kunststoffverarbeitung verwendet werden, stiegen etwa um 32,6 %, für Fichten- oder Tannenschnittholz (m³) um 35,7 % und Isoliermaterial aus Erdöl (Bitumen) um 84,6 %. Bei einzelnen Baustoffen wie Bitumen aus Erdöl für Isoliermaterial schien sich hingegen eine leichte Trendwende abzuzeichnen, die Preissteigerung ging von 64 % im Mai auf 57 % im Juni zurück. Großes Problem sind auch die Lieferengpässe: „Bis Juni hatte sich die Situation rapide verschärft und ist im Hochbau bis heute fast unvermindert angespannt“, so Felix Leiss, Umfrageexperte beim Ifo-Institut. „Seit Juli sehen wir zwar erste Verbesserungen beim Tiefbau, aber im Hochbau ist noch nahezu jedes zweite Unternehmen von Beschaffungsproblemen betroffen.“ Aktuell fehle es vorrangig an Stahl, Holz, synthetischen Dämmmaterialien und anderen Kunststoffprodukten. Insgesamt zeigen sich die Preise und teils auch die Liefermöglichkeiten höchst volatil, eine sinnvolle Projekt- und Ertragsplanung ist für viele Akteure nahezu unmöglich geworden.

Auswirkungen auf Projekte

Bauunternehmen können wegen der unvorhersehbaren Preisdynamik ihre Verträge oft weder termin- noch budgetgerecht einhalten. Aufschläge von bis zu 25 % trotz Festpreis würden an den Bauherrn weitergereicht, hört man von Projektentwicklerseite. Doch wer die Mehrkosten trägt, hängt letztlich von den entsprechenden Vertragsklauseln ab. Auch die Arbeit auf der Baustelle muss häufig bis zur nächsten Materiallieferung stillstehen. Die möglichen Folgen der steilen Preisentwicklungen und Lieferengpässe reichen von „höheren Projektkosten, Bauverzögerungen und Baustopps bis hin zuVertragskündigungen und Insolvenzen“, fasst Dierk Mutschler, Vorstand bei Drees & Sommer, zusammen.

Wenig Spielraum für gute Lösungen

„Letztlich kann man zurzeit weder seriös noch gewinnbringend kalkulieren“, erklärt ein mittelständischer Berliner Projektentwickler, der vorwiegend für den eigenen Bestand baut. „Wir haben deshalb entschieden, zurzeit keine neuen Projekte anzustreben.“ Andere Entwickler stellen sich auf die Veränderungen ein. „Es ist unbedingt erforderlich, schon mit der ersten konzeptionellen Überlegung eines Projektes mögliche Kostenauswirkungen mitzudenken“, erläutert Bastian Humbach, Geschäftsführer bei Hamburg Team Projektentwicklung. „Dies kann im Kontext von gewünschten architektonischen Qualitäten auch mehr Zeit erfordern. Vereinfachungen, Wiederholungen und statische Optimierungen müssen von Beginn an im Planungskonzept berücksichtigt werden.“ Wechselnde Preise sind im Straßenbau durchaus kein Novum und zu bewältigen, stellen aber bei der Komplexität eines Hochbauprojektes ein größeres Problem dar. „Bereits frühzeitig haben wir angefangen, ausreichend Ressourcen im In- und Ausland zu sichern“, berichtet Peter Matteo, Geschäftsführer des Frankfurter Projektentwicklers Groß & Partner. „Durch flexible Einkaufsbedingungen stellen wir Baustoff- und Personalmengen für die zeitnahe Umsetzung unserer Projekte zur Verfügung, was aber eine zunehmende Herausforderung darstellt.“

Vielschichtige Ursachen

Nicht nur die durch Covid19 unterbrochenen Lieferketten sind für die steigenden Baupreise verantwortlich. Hinzu kommen globale Entwicklungen in Politik und Wirtschaft, Personalmangel und zu wenig gut ausgebildete Nachwuchskräfte sowie umweltbedingte Einflüsse, beim Holz etwa Borkenkäferbefall und Windschlag. Eine wichtige Rolle bei der Preisexplosion beim Holz spielten zuletzt auch die flächendeckenden Materialkäufe durch einen Bauboom in China sowie Handelsstreitigkeiten zwischen Kanada und den USA. Die Pandemie löste hier eine Zuspitzung der Lieferengpässe aus und wirkte als indirekter Preistreiber. „Aufgrund der Corona-Pandemie und des damit verbundenen Nachfrageeinbruchs wurden 2020 die Produktionskapazitäten vielerorts heruntergefahren. Doch Ende letzten Jahres sprang die Konjunktur in China und in den USA wieder an: Die Nachfrage nach Baumaterialien stieg schneller an als die weltweiten Produktionskapazitäten, was zu einer Preissteigerung in mehreren Märkten gleichzeitig führte“, erläutert Dierk Mutschler, Drees & Sommer.

Laut Statistischem Bundesamt hat die Nachfrage nach einzelnen Baumaterialien in Deutschland gegenüber dem Vorjahr mit 2,4 % kaum zugenommen. Trotzdem treibt die globale Verknappung den Preis. Insbesondere beim Stahl, der für nahezu jede Gebäudekonstruktion unerlässlich ist, hat sich der Preis seit August 2020 bis heute verdoppelt. Preistreiber sind neben dem hohen Stahlbedarf Chinas unter anderem die inzwischen greifenden CO2-Zertifikate für herkömmlich produzierten Stahl, welche die Herstellung verteuern und sich zurzeit vor allem in den USA auswirken. Andere Materialien wie Erdöl als Rohstoff seien hingegen in ausreichendem Maße vorhanden, könnten aber wegen der Produktionsstopps und Kapazitätsverluste durch Covid19 oft nicht weiterverarbeitet werden, so Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie.

Gute Auftragslage trotz angespannter Marktverhältnisse

Auf die Auftragslage der Bauunternehmen hat sich der unruhige Markt offenbar bisher kaum ausgewirkt. Auf Basis der aktuell vorliegenden Zahlen erwartet der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie für das gesamte Jahr 2021 lediglich einen realen Produktionsrückgang von 2 %. Bei der Materialbeschaffung bleibe die Lage dennoch unübersichtlich. So gebe es neben den großen Preisschwankungen auch Materialien, die sich seit dem Jahresbeginn kaum oder nur sehr moderat verteuert hätten, etwa Mauersteine um 3,9 %, Mauer- und Dachziegel um 2,1 % und Transportbeton um 1,6 %. „Grundsätzlich fehlt ein konsistentes Bild, um die Situation verlässlich einzuschätzen, da wir es hier mit sehr verschiedenen Branchen zu tun haben“, führt Müller aus. Bislang seien Auftragslage und Bearbeitung einigermaßen stabil geblieben. Bauunternehmen gelinge es noch, auf andere Projekte umzudisponieren, wenn eine Baustelle stillliegt. Der ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss hofft, dass sich „nun mit dem nahenden Ende der Pandemie die Lieferketten schnell wieder aufbauen lassen“, so Oliver Wittke, Geschäftsführer.

Vorübergehendes Phänomen oder neue Entwicklung?

Die Frage, ob sich die starken Preisschwankungen am Markt fortsetzen werden, ist schwer zu beantworten und abhängig von den jeweiligen Materialgruppen. Die meisten der hier befragten Akteure der Bau- und Immobilienwirtschaft gehen davon aus, dass sich die Materialpreise im Laufe der nächsten Monate wieder einpendeln werden, zumindest der Pandemie bedingte Anteil. Viele erwarten, dass sich die Preise zum Jahresende stabilisiert haben, allerdings auf einem höheren Niveau als vor der Pandemie. Die Tatsache, dass viele dynamische Faktoren zu den Marktveränderungen beigetragen haben, scheint diese These zu bestätigen. Gleichzeitig zeigt sich, dass das „Materialthema“ – ob Knappheit, Preiserhöhung oder Umweltqualität – die Bauwirtschaft als künftiges Dauerthema beschäftigen und die wirtschaftliche Projektkalkulation erschwert wird.

„Die Materialfrage 2021 in der Praxis“. Welche Preisgruppen sich voraussichtlich normalisieren und welche Lösungen konkret in der Praxis genutzt werden, erfahren Sie von Arnim Heck, Leiter Zentraler Einkauf von Zechbau.

 

Materialmangel bis Juni und Juli 2021

Materialknappheit und dynamische Preissteigerungen teils um 80% und mehr an und machen Projekte seit nunmehr sechs Monaten nahezu unkalkulierbar. Erzeugt wird die Problemlage vor allem durch gravierende Lieferengpässe.
Unser Beitrag erschien auch auf dem Portal der Fachzeitschrift „Bauingenieur“.