Micro-Living – ein dynamisches Asset konsolidiert sich

Die IML-Studie wird die weitere Entwicklung des Assets begleiten. Einen Überblick geben Henrik von Bothmer, Union Investment, und Felix Embacher MRICS, bulwiengesa, im Gespräch mit Irmelin Ehrig.
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Mikro-Apartments
© KAPPE Projektentwicklung GmbH
Mikro-Apartments gelten als kleine attraktive Wohnungen in sehr gut angebundenen City-Lagen.

Wie sehen Sie das Asset Micro-Living und welche Veränderungen zeichnen sich ab? 

Embacher: Das Micro-Living-Segment hat sich zeitgleich mit dem Beginn des allgemeinen Immobilienbooms 2009/2010 herausgebildet und war seither sehr erfolgreich. Es entstand durch einen Mangel an bezahlbarem studentischem Wohnraum bei gleichzeitig ansteigenden Studierendenzahlen. Mittlerweile sind die wegweisenden Projekte eher im Businessbereich oder in neuen Nischen zu finden. Und es werden immer mehr Projekte auch abseits der klassischen Immobilienhochburgen errichtet, was zeigt, dass die Nachfrage nach derartigen Wohnformen räumlich breit gestreut ist.

Von Bothmer: Aktuell beobachten wir, dass die Corona-Pandemie für das Asset nicht nur eine Bewährungsprobe ist und den enormen Aufschwung der letzten 10 Jahre gestoppt hat, sondern auch das Angebot modifizieren wird. Denn die Rückgänge bei Auslastung und Mieten dürften die Akteure dafür sensibilisiert haben, dass Lagequalitäten und nachhaltige Mietansätze entscheidend sind. Da die Mietbudgets gesunken sind, werden hochpreisige Konzepte künftig deutlich schwerer eine gute Auslastung erzielen. Hinzu kommt, dass die zunehmenden Fertigstellungen neuer Apartments den Konkurrenzdruck weiter erhöhen. Einen grundlegenden Wandel des Assets sehe ich aber nicht.

Der Verband Micro-Living fordert die Anerkennung von Micro-Living als eigenes Asset. Ist das nicht schon längst Realität?

Embacher: Es kommt ganz darauf an, bei welchen Stakeholdern man diese Anerkennung einfordert. Da ist zum einen der Gesetzgeber, der viele Begrifflichkeiten und Konzepte des Micro-Living gar nicht in seiner Nomenklatur verankert hat und insofern bei Bauanträgen inadäquate Anforderungen an Stellplatzschlüssel, Betriebskonzepte und dergleichen mehr stellt. Auch bei Finanzierungsinstituten divergieren die Asset-adäquaten Risikoeinwertungen oft mangels umfassender Erfahrung, etwa mit Betriebskonzepten, noch erheblich. Aber die Micro-Living-Branche trägt an diesem Sachverhalt schon auch selbst Mitschuld, indem sie vielerorts Markttransparenz vermissen lässt und aus Marketinggesichtspunkten sehr viele schillernde Namen für Subkategorien des Micro-Living erfunden hat.

Deshalb entstand die Initiative Micro-Living (IML), für die Sie seit 2019 konkrete Daten zum Asset erheben. Im Juni 2021 haben Sie den dritten Report veröffentlicht.

Embacher: Ja, es geht darum, eine Vergleichbarkeit der Angebote für Investoren und belastbare Informationen zur Marktentwicklung zu generieren. Der dritte IML-Markt­re­port beruht auf der Aus­wer­tung von Betriebs­da­ten von 23.475 Wohn­ein­hei­ten in 122 Apart­ment­häu­sern bun­des­weit.

Herr von Bothmer, als Bestandshalter und Mitglied der Initiative: Inwieweit trägt die Studie zur Transparenz in der Assetklasse bei?

Von Bothmer: Bislang hat die IML-Studie zu drei Stichtagen Kennzahlen geliefert: Anfang 2020 und damit vor Corona, im Sommer 2020 und zuletzt im Frühjahr 2021. Als Bestandshalter ermöglicht uns die Initiative Micro-Living, das eigene Portfolio zu benchmarken. Dabei sind für uns vor allem die Entwicklungen der Auslastungsquoten und der Mietpreise relevant, insbesondere während der Corona-Pandemie. Auch die Kennzahlen zu den Betriebs- und Nebenkosten sind für Optimierungsansätze im eigenen Portfolio sehr wertvoll.

Welche Studienergebnisse hatten Sie erwartet und was war überraschend?

Von Bothmer: Die Auswirkung von Covid-19 auf die Auslastung hat uns nicht überrascht. Sowohl bei uns als auch in den Studienergebnissen zeigte sich, dass der von studentischem Wohnen geprägten Assetklasse vor allem die ausländischen Studenten und die Erstsemester wegbrachen. Das hat die Auslastungen unter Druck gesetzt. Womit wir allerdings nicht gerechnet haben, ist, dass die Durchschnittsmieten zurückgingen, was wir im eigenen Portfolio so nicht beobachten können. Wir hatten die Herausforderung eher in der grundsätzlich fehlenden Nachfrage und nicht in einem Preiswettbewerb gesehen. Die Studienergebnisse weisen zudem sehr hohe Durchschnittswerte bei den Betriebs- und Nebenkosten aus. Das hatten wir, ebenfalls mit Blick auf das eigene Portfolio, nicht erwartet.

Was waren für Sie die wichtigsten Erkenntnisse aus der IML-Studie?

Embacher: Dass die Assetklasse zwar von der Covid-19-Pandemie beeinflusst, dennoch aber recht krisenresilient ist. Wenn wir jetzt feststellen, dass die Mieten um ca. 10 % und die Auslastungsquoten um ca. 7 % gegenüber dem Frühjahr 2020 gesunken sind, ist das sicherlich kein Grund zum Jubeln, löst aber auch keine Schockstarre aus. Erstaunlich und zugleich erfreulich ist, dass der Transaktionsmarkt seit dem vierten Quartal 2020 wieder angesprungen ist und wir bis Jahresende 2021 wohl wieder einen Wert von über 1 Mrd. Euro erwarten dürfen. Das institutionelle Interesse an der Assetklasse bleibt also hoch.

Die Studie bezieht sich auf eher große Unternehmen und Konzerne, schließt bislang aber viele Marktteilnehmer aus. Wie repräsentativ ist sie dann für das Asset?

Embacher: Zur Ini­ti­a­tive Micro-Living gehö­ren der­zeit 15 Unternehmen, die auf dem deut­schen Markt für Apart­ment­woh­nen aktiv sind. Als asso­zi­ier­tes Mit­glied wird zudem der Bun­des­ver­band Micro-Living geführt. Ich schätze, da die exakte Größe des Gesamtmarkts unbekannt ist, dass unser Marktanteil bei ca. 15 bis 20 % liegt. Die repräsentative Aussagekraft des IML-Reports ist aber deutlich höher, weil sich die Bewirtschaftung anderer Apartment-Anbieter kaum von der unserer Mitglieder unterscheiden dürfte. Sicherlich würden wir uns freuen, wenn sich uns noch ein paar mehr in Deutschland aktive Unternehmen anschließen würden.

Was erwarten Sie für die Zukunft?

Von Bothmer: Eine grundsätzliche Erholung kann schnell einsetzen, wenn das Wintersemester 2021/22 mit Präsenzveranstaltungen beginnen kann, ausländische Studenten wieder reisen und die Zweit- und Drittsemester endlich ihr Studium vor Ort fortsetzen dürfen, das sie während der Pandemie bereits digital aufgenommen haben. Der Studienstandort Deutschland dürfte zudem vom Ausstieg Großbritanniens aus dem Erasmusprogramm profitieren und deutlich mehr ausländische Studenten anziehen. Hinzu kommt, dass die Studentenzahlen in wirtschaftlichen Schwächephasen grundsätzlich steigen, weil der Jobeinstieg durch einen Masterstudiengang verschoben wird oder weil wegen der Konkurrenz am Arbeitsmarkt generell mehr in die eigene Ausbildung investiert wird.

Wie wird sich die durch Corona erheblich verstärkte Flexibilisierung von Arbeitsort und -zeit auswirken?

Von Bothmer: Davon werden Apartmentangebote profitieren, die generell eher temporären Wohnraum zur Verfügung stellen. Und solange der Arbeitsmarkt unter einer nachlassenden Wirtschaftskraft leidet, werden möglicherweise auch Zugeständnisse von Arbeitnehmerseite, etwa bzgl. der Entfernungen zum Arbeitsort, notwendig sein. Auch hier bietet Micro-Living gute Lösungen für Pendler.

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Die moderne Wohnform Micro Living hat sich in den vergangenen Jahren zu einer nachgefragten Wohnform und gleichzeitig zu einer interessanten Immobilien-Anlage entwickelt. Doch kann sich das Asset langfristig behaupten? Einen Überblick gibt Hendrik Kappe vom Projektentwickler KAPPE.