Erbbaurecht: Chancen für die Zukunft

Das Erbbaurecht wird zunehmend interessant für die Entwicklung und den Erwerb von Immobilien – wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Wir haben nachgefragt.
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Bauprojekt

Über das Erbbaurecht lassen sich die Grundstückskosten weitgehend aus einer Immobilien-Investition „heraushalten“. Herr Dr. Nagel, Sie sind Geschäftsführer des Deutschen Erbbaurechtsverbands. Juristisch betrachtet: Worum geht es?

Dr. Nagel: Beim Erbbaurecht werden Grundstücks- und Immobilieneigentum voneinander getrennt. Das heißt: Es gibt das Eigentümergrundbuch des Grundstückseigentümers und das Erbbau-Grundbuch für denjenigen, der das Grundstück mit einer Bebauung nutzt. Statt des Kaufpreises werden Erbbauzinsen fällig. Die Grunderwerbsteuer ist geringer und die Verzinsung eines Darlehens für den Grundstückserwerb entfällt.  

Herr Jung, Sie haben sich auf Anlagen in neugebildete Erbbaurechtsgrundstücke spezialisiert. Wie sieht der Markt dafür derzeit aus?

Jung: Das Geschäftsfeld wird aus unserer Sicht größer, da einerseits institutionelle Investoren wie Pensionskassen und Versorgungskammern nach langfristigen und inflationsgesicherten Kapitalanlagen suchen, wofür sich Erbbaurechtsgrundstücke perfekt eignen. Auf der anderen Seite profitieren sowohl Bestandshalter als auch Entwickler von der Abtrennung von Grundstücken im Wege des Erbbaurechts durch reduzierte Kaufpreise und höhere Renditen.

Ist das Erbbaurecht baurechtlich an bestimmte Bedingungen geknüpft?

Nagel: Grundsätzlich sind die baurechtlichen Vorschriften zu beachten. Soweit der Grundstückseigentümer im Vertrag keine weiteren Restriktionen vorschreibt, ist der Erbbaurechtsnehmer in seiner Nutzung frei.

Jung: Viele bekannte und völlig unterschiedliche Projekte sind ja im Erbbaurecht realisiert worden, etwa der Messeturm in Frankfurt, die Allianz Arena in München…

Nagel: Ja, oder das historische Dom-Römer-Quartier in Frankfurt. Sie sehen: Das Erbbaurecht eignet sich nicht nur für das Reihenaus auf der grünen Wiese.

Damit bietet das Erbbaurecht sehr vielseitige Chancen der Projektrealisierung…

Nagel: Es ist auf jeden Fall eine gute Möglichkeit, an Grundstücke heranzukommen – vor allem, wenn der Eigentümer kein Interesse am Verkauf hat.

Jung: Zu uns kommen auch Entwickler, denen der Kauf eines Grundstücks zu teuer ist. Dann erwerben wir das Grundstück für sie und übernehmen es in unseren Bestand. Der Entwickler erhält dann ein sehr langfristiges Erbbaurecht auf dem er die Gebäude wie geplant erstellen und danach verkaufen kann. Gleiches gilt für den Erwerb von Bestandsimmobilien institutioneller Investoren, die darüber die laufende Ausschüttungsrendite stark steigern können, da wir einen überproportionalen Kaufpreis für das Grundstück bieten können.

Wo liegen die größten Probleme beim Erbbaurecht?

Nagel: Das können Streitigkeiten über die Nutzungsmöglichkeit sein oder Zustimmungserfordernisse für die Belastung oder den Verkauf der Immobilie. Die meisten Diskussionen lassen sich aber im Vorfeld durch eine gute Vertragsgestaltung vermeiden. Ich plädiere dafür, den Erbbaurechtsvertrag so zu verfassen, dass der Erbbaurechtsnehmer einer Eigentümerstellung möglichst nahekommt. Man sollte sich auf jeden Fall damit tiefer beschäftigen oder beraten lassen.

Können erstellte Immobilien später problemlos in ein Portfolio oder einen Fonds aufgenommen werden? Oder passt das „Produkt“ hierzu nicht?

Nagel: Doch, das ist gut möglich, man behält die Gesamtimmobilie, stellt sie zur Vermietung und hat sogar noch den Vorteil, dass er Erbbauzins steuerlich voll geltend gemacht werden kann.  

Wie steht der Ankauf eines Erbbaurechts dem regulären Erwerb der Immobilie gegenüber?

Jung: Anstatt wie im Volleigentum das komplette Objekt finanzieren zu müssen, hat der Erwerber des Erbbaurechts nur sein Gebäude, das typischerweise circa 70 % des Gesamtwerts ausmacht, zu zahlen. Für die Nutzung des Grundstücks zahlt er den laufenden Erbbauzins, der allerdings keine Tilgungsleistung enthält und eben auch nicht mit Eigenkapital hinterlegt werden muss. Dies alles erhöht den finanziellen Spielraum für private aber auch gewerbliche Immobilienkäufer deutlich. 

Und wonach richtet sich der Erbbauzins?

Nagel: Meist ist der Bodenwert inklusive der Erschließungskosten die Bemessungsgrundlage. Allerdings können auch andere Kriterien gewählt werden. Das ist gesetzlich nicht festgelegt.

Jung: In der Praxis werden auch je nach Lage adjustierte Anteile des Gesamtwerts der Immobilie dem Erbbaugrundstück zugeordnet.

Wie verhält sich der Zins beim Erbbaurecht? 

Nagel: Nach unseren Erhebungen sehen wir deutschlandweit je nach Lage und Objektart eine große Spanne zwischen 2 und 5 % des Bodenwertes inklusive der Erschließungskosten. Es gibt Städte wie Hamburg, die sogar nur noch 1,7 % für Wohnerbbaurechte veranschlagen. Im Durchschnitt liegt man derzeit wohl bei rund 3 %.

Jung: Ja, die meisten Transaktionen bei uns liegen um 2 oder 3 %, abhängig von der Lage kann es aber Abweichungen nach oben oder unten geben.

Nagel: Die meisten Verträge enthalten Wertsicherungsklauseln, die Anpassungen des Erbbauzinses während der Laufzeit vorsehen – zum Beispiel in Anlehnung an den Verbraucherpreisindex (VPI). Wertsteigerungen des Grundstücks werden dabei nicht weitergegeben. Das ist ein Vorteil für die Erbbaurechtsnehmer.

Die Laufzeiten sind sehr lang. Wie wirkt sich das wirtschaftlich aus?

Nagel: Lange Laufzeiten haben den Vorteil, dass Wiederverkäufe des Erbbaurechts einfacher umsetzbar sind, da noch genügend Restlaufzeit für den Erwerber vorhanden ist und die wirtschaftlichen Vorteile weitergegeben werden können.

Jung: Wenn man den Bodenerwerb durch die Abtrennung eines Erbbaugrundstücks „auslagert“, profitiert man von höheren Renditen bei niedrigerem Kapitaleinsatz, was die Investitionsrechnung für Immobilienanleger deutlich verbessern kann.    

Wie kommen die Projekte im Erbbaurecht zustande?

Nagel: Meist kommt der Projektentwickler mit einer Idee für ein Grundstück auf die Kommunen zu. Es kann aber auch über die Ausschreibungen einer Gemeinde entstehen. Auch im privaten Sektor können sich Einigungen ergeben, wenn das Grundstück nicht verkauft werden soll und der Entwickler einen Grundstückseigentümer findet, der sich mit ihm auf ein Erbbaurecht einigt.

Jung: Wir stehen im regen Austausch mit diversen Maklerhäusern und bieten immer wieder für interessante Immobilien, die gerade am Markt angeboten werden, wobei dann Partner von uns den Gebäudeanteil erwerben, während wir das entsprechende Grundstück kaufen.

Wie sehen Sie die Chancen des Erbbaurechts für die Zukunft?

Nagel: Ich gehe davon aus, dass diese Option zunehmend von Entwicklern und Investoren genutzt werden wird. Dass das Modell in kurzer Zeit häufiger als das Volleigentum zum Einsatz kommt, glaube ich allerdings nicht. Im Augenblick ergeben Erhebungen und Schätzungen einen Marktanteil von circa 5 %.

Jung: Der Marktanteil am Erbbaurecht lässt sich gar nicht so genau beziffern, weil diese Daten in den üblichen Statistiken leider nicht erhoben werden. Wir sehen aber ein ganz deutlich gestiegenes Verständnis und auch Interesse an der Umsetzung dieses weltweit gängigen Instrumentariums zur Verbesserung der Anlagerendite.

Unser Bei­trag erschien auch im Newsletter und auf der Website des immobilienmanager.

 

Als EPPLE die erste Projektentwicklung auf einem Erbbaurechtsgrundstück anging, wurde noch mit DM bezahlt. Über 20 Jahre sind seitdem vergangen. Zahlreiche Projekte später kann der Heidelberger Projektentwickler und Bauträger nun auf einen großen Erfahrungsschatz in der Planung, Entwicklung und dem Verkauf von Erbbau-Projekten zurückgreifen.