EZB-Gelder und Inflationserwartungen: So reagieren die Bauzinsen

Bei der Umsetzung des Pandemie-Notfall-Programms PEPP tritt die EZB weiter kräftig aufs Gaspedal: Sie setzt die Anleihekäufe im Rekordtempo fort und hält damit an demim März beschlossenen Kurs fest.
Micha­el Neu­mann
© Dr. Klein Pri­vat­kun­den AG
Micha­el Neu­mann, Vor­stands­vor­sit­zen­der der Dr. Klein Pri­vat­kun­den AG

Damit will die EZB einen Anstieg der Zinsen der Staatsanleihen der Euro-Länder verhindern und für weiterhin günstige Finanzierungsbedingungen sorgen. Was bedeutet das für die Entwicklung der Baufinanzierungskonditionen und wie sind die weiteren Aussichten?

Ein Kommentar von Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender der Dr. Klein Privatkunden AG.


Mit allen Mitteln versucht die EZB, die EU-Staaten durch die Pandemie zu retten, und pumpt dafür

immer mehr Geld in die Märkte. Mit welchen Erfolgsaussichten und Konsequenzen?

Das PEPP-Programm zur Unterstützung der europäischen Wirtschaft ist zurzeit absolut notwendig. Gepaart mit klugen Investitionsstrategien, könnte es für einen kräftigen und nachhaltigen Aufschwung sorgen – die USA ist da gerade ein Paradebeispiel. Wenn es aber darum geht, dem Inflationsziel näher zu kommen, erweisen sich die Geldfluten bisher als wenig wirksam – das war schon vor Beginn der Pandemie zu beobachten. Der aktuelle Anstieg der Inflation ist vorwiegend auf temporär wirkende Sonderfaktoren zurückzuführen wie die CO2-Abgabe in Deutschland. Einerseits muss die EZB die hochverschuldeten Staaten mit immer neuen Finanzspritzen am Leben halten. Andererseits beißt sich die Katze damit selber in den Schwanz: Durch die indirekte Staatsfinanzierung und künstlich gedrosselte Zinsen sind die Länder vom Reformdruck entlastet und bleiben in existenzieller Weise auf die Hilfen
angewiesen.

Wie wirken sich die EZB-Strategie und die aktuellen Wirtschaftsaussichten auf die
Baufinanzierungszinsen aus?

Nachdem die Baufinanzierungszinsen vor ein paar Wochen marginal nach oben gegangen sind, pendeln sie sich auf dem immer noch extrem niedrigen Niveau ein. Der regionale Bestzins für ein 10-jähriges Baudarlehen beträgt aktuell 0,48 Prozent, überregionale Anbieter liegen derzeit bei 0,61 Prozent (Stand 21.04.). Durch die EZB-Politik ist ihr Aufwärtspotenzial sehr gering, die Anleihekäufe verhindern deutliche Zinsanstiege. Im Laufe des Jahres ist mit einer deutlichen wirtschaftlichen Erholung und auch mit einer zunehmenden Inflation zu rechnen – in Folge könnten Baufinanzierungszinsen kurzfristig etwas teurer werden. Ausmaß und Länge des Anstiegs wären allerdings begrenzt: Die Anleihekäufe wirken dem entgegen und für 2022 gehe ich wieder von einer abflauenden Inflation aus. Bis Ende des Jahres 2021 werden die Zinsen vermutlich weiter auf historisch niedrigem Niveau bleiben und sich nur geringfügig bewegen.

Nach dem kürzlichen Anstieg der Zinsen: Wird es jetzt schwieriger, ein Darlehen zu erhalten?

Nach der langen Phase, in der Zinsen kaum eine Regung zeigten, hat der kürzliche leichte Anstieg einige überrascht. Aber: Die Zinsen sind immer noch extrem günstig und die sehr überschaubaren Schwankungen werden für niemanden den Ausschlag zuungunsten einer Baufinanzierung geben. Bei ihrer Kalkulation für die Darlehensvergabe achten Banken auf die nachhaltige und langfristige Finanzierbarkeit. Für ein Angebot ist aus Bankensicht also ohnehin wichtig, dass theoretisch deutlich höhere Zinssätze tragbar sind. Deshalb werden diese leichten Bewegungen niemandem einen Strich durch die Planung des eigenen Immobilienprojektes machen, solange diesessolide kalkuliert war.

Wie entwickeln sich die Immobilienmärkte und welchen Einfluss hat die EZB?

An den starken Verteuerungen von Immobilien bis hin zu regionalen Übertreibungen hat die EZB durchaus ihren Anteil. Seit Jahren manipuliert sie die Zinsen und drückt sie auf ein Minimum. Als Folge fehlen sichere Anlagealternativen und sehr viel Kapital wird auf der Suche nach Rendite in die Immobilienmärkte gelenkt. Eine Trendwende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen – alle Rahmenbedingungen sprechen für eine Fortsetzung der Preisspirale: Das Finanzierungsumfeld bleibt weiterhin sehr günstig und Wohnraum begehrt. Zumal der Zuzug nach Corona wieder an Dynamik gewinnt, neue Lebens-und Arbeitskonzepte den Trend zu mehr Wohnfläche beschleunigen, und auch durch steigende Lebenserwartungen und mehr Singlehaushalte Wohnraum knapp bleibt. Abhilfe kann unter anderem der rigorose Abbau von bürokratischen Hürden, die massive Beschleunigung von Bautätigkeiten sowie eine Reform der Grunderwerbsteuer schaffen.