Was ändern Zinswende und Neuwahlen?

Erste Zinssenkungen der EZB und die vorgezogenen Neuwahlen in Deutschland: Welche Auswirkungen ergeben sich für die Immobilienwirtschaft?
Inflation und Zinswende diskutieren u. a. Martin Lemke, Geschäftsführer AM Alpha, Dr. Nicole Arnold, Vorstand Commerz Real AG und Max Beekmann, Deputy Head of Global Real Estate (Versorgungskammer BVK) auf einem Expo Real Panel.
© Jens Wilden
Expo Real Panel „Investitionen in Immobilien: Gibt es Verschiebungen hin zu anderen Assetklassen?“ Im Gespräch (von rechts nach links): Martin Lemke, Geschäftsführer AM Alpha, Dr. Nicole Arnold, Vorstand Commerz Real AG, Max Beekmann, Deputy Head of Global Real Estate Investment Management Bayerische Versorgungskammer BVK

Gerade war eine finanzpolitische Wende mit niedrigeren Zinsen angebrochen, da folgten mit den US-Wahlen und dem Ende der Ampelpolitik auch große politische Umbrüche. Viele Marktteilnehmer hoffen nun, dass die geplanten Neuwahlen am 23. Februar 2025 die ökonomischen Rahmenbedingungen in Deutschland verbessern werden: „Vorgezogene Neuwahlen könnten eine CDU-geführte große Koalition ins Amt bringen.Für die Immobilienbranche wäre das in mehrfacher Hinsicht von Vorteil“, meint Josef Girshovich, Lehrbeauftragter an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nörtingen-Geislingen, bereits Ende Oktober in der Immobilien Zeitung.

Aus Sicht des BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen muss die neue Regierung eine „echte Politikwende“ herbeiführen: „weg von Überregulierung und lähmender Bürokratie“, so der BFW-Präsident Dirk Salewski. Andere befürchten allerdings, dass sich unter einer CDU-Regierung in Koalition mit der SPD oder den Grünen nicht viel ändern wird.

Auch vor diesen Ereignissen, auf der Expo Real 2024, waren die Branchenteilnehmer im Hinblick auf eine baldige Verbesserung der wirtschaftlichen Lage eher skeptisch – wenngleich erste Zinssenkungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) stattgefunden hatten. Die Aussagen vor Ort reichten von „vorsichtig optimistisch“ über „die Hoffnung stirbt zuletzt“ bis zu der Feststellung „das große Nagelbrennen hat begonnen“. Das ‚Aussitzen‘ der Krise scheint für die Unternehmen zunehmend schwierig zu werden. Bereits ein Jahr zuvor, auf der Expo Real 2023, wurde bei den meisten Problemanalysen und Lösungsansätzen auf den Staat verwiesen, der ein erfolgreiches Wirtschaften weitgehend verhindere: durch zahlreiche Auflagen und überbordende Regulierung sowie durch unverlässliche Rahmenbedingungen wie plötzlich gestoppte Förderungen oder das „Heizungsgesetz“.

Expo Real im Zeichen einer ‚neuen Zinswende‘

Trotz der wirtschaftlich schwierigen Lage war die Immobilienmesse im Oktober gut besucht. Über 40.000 Besucher aus 75 Ländern wurden wieder gezählt. Zwar sank die Zahl der Aussteller um ca. fünf Prozent, hielt sich aber mit weiterhin 1.778 Unternehmen auf einem stabilen Niveau.

Was die Teilnehmer der Expo Real 2024 bewegte, waren vor allem die Auswirkungen der letzten Zinswende der EZB. Diese hatte im Juni 2024 den Leitzins seit zwei Jahren erstmals wieder abgesenkt und zwei weitere Zinssenkungen im September und Oktober folgen lassen. Seitdem ist der Einlagenzinssatz auf 3,25 Prozent gefallen.

Joachim Nagel, Präsident der Bundesbank, erklärte zum neuen Kurs der EZB in einer Rede des „Karl Otto Pöhl Lecture“ bei der Frankfurter Gesellschaft für Handel, Industrie und Wissenschaft am 30.10.2024, er gehe davon aus, dass die Europäische Zentralbank bald wieder Preisstabilität erlangen werde. Ziel sei es, dass sich die Inflationsrate mittelfristig bei zwei Prozent einpendele. „Im Dezember wird dem EZB-Rat eine neue Prognose vorliegen“, so Nagel. Davon wird nun abhängen, ob es eine weitere Zinssenkung geben wird.

Nach der ersten Zinswende im Juli 2022 hatte die EZB den Leitzins nach einer langen Niedrigzinsphase schrittweise, aber zügig angehoben, um die starke Inflation einzudämmen. Zwischen September 2023 und Juni 2024 lag der Einlagesatz dann bei einem Höchstwert von 4,00 Prozent. In diesem Zinsumfeld war die Bau- und Immobilienmarkt nahezu ‚eingefroren‘.

In der größten Krise befinden sich nach wie vor die Projektentwickler. Viele von ihnen hatten ihre Grundstücke vor dem Zinsanstieg zu teuer eingekauft und können ihre teilweise genehmigte Bauplanung nicht gewinnbringend auf dem Markt platzieren. Grundstücke werden zwar momentan wieder gekauft, aber nicht zu den seinerzeit gezahlten Preisen. Hinzu komme, so ein mittelständischer Developer auf der Expo Real, dass die Banken oft zusätzliches Eigenkapital einforderten, trotz bereits laufender Kredite. Auch die anwachsenden Regularien beim Bauen, die teuren Nachhaltigkeitsstandards, Bürokratie, die steigenden Material- und Personalkosten sowie niedrige Renditechancen sorgen für Zurückhaltung.

Zinswende „nicht die Lösung des Problems“

Viele Penals der Expo Real 2024 behandelten die Frage, ob die neue Zinspolitik die Erstarrung der Branche aufbrechen könne. Martin Lemke, Jurist, Immobilienökonom und Geschäftsführer des international aktiven Family-Office AM alpha, erklärte auf einem Expo-Real-Panel, dass die Inflation für ihn auch weiterhin ein entscheidender Risikofaktor bleibe, da die Steuerungsmöglichkeiten der Inflationsrate aufgrund der Globalwirtschaft begrenzt seien. Deshalb ist er skeptisch, was eine baldige Erholung oder Stabilisierung des Immobilienmarktes angeht – auch wenn es in letzter Zeit viele positive Berichte diesbezüglich gegeben habe. „Ich bin kein Volkswirt, aber ich würde mich angesichts der komplexen Gesamtsituation an den Märkten jetzt nicht der Hoffnung hingeben, dass alles absehbar überstanden ist.“

Dr. Nicole Arnold, Vorstand bei der Commerz Real AG, erklärte auf einem Panel der Expo Real, dass weder weitere Zinssenkungen noch die Kontrolle der Inflation „den großen Push am Immobilienmarkt“ auslösen können. „Wir werden damit leben müssen, dass die Zinsen nicht mehr bei ‚Null Komma irgendwas‘ liegen. Das Zinsniveau wird sich mittelfristig eher bei 2 bis 3,5 Prozent einpendeln.“ Deshalb gehe es nicht darum, auf die große Wende zu warten, sondern sich zu fragen, wo man eigentlich stehe und was man in dieser Lage tun könne, und dann beherzt zu agieren. Nicht nur die Immobilienbranche müsste sich bewegen, sondern auch die Politik, etwa beim geplanten Zukunftsfinanzierungsgesetz, bei der Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und dem Abbau des „Förderdschungels“.

Im Ergebnis zeigt sich zwar wieder eine wachsende Dynamik der Immobilienwirtschaft und eine zunehmende Handlungsbereitschaft der Akteure. Allerdings bleiben die meisten noch vorsichtig. Ob mit den vorgezogenen Neuwahlen eine echte Wende mit mehr Marktliberalität stattfindet, erscheint angesichts der politischen Konstellationen eher unwahrscheinlich.