Über Share Deals konnte in der Vergangenheit der Anfall von Grunderwerbsteuer verhindert oder reduziert werden. Bei grundbesitzenden Kapitalgesellschaften wurde die Vermeidung von Grunderwerbsteuer allerdings dadurch erkauft, dass stets ein Co-Investor erforderlich war. Der Gesetzgeber verschärfte die Vorgaben im Laufe der Jahre mit der Folge, dass seit dem 1. Juli 2021 nur noch maximal 89,9 Prozent der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in der Hand eines Investors vereinigt werden dürfen. Zudem wurden die Vorschriften dahingehend verändert, dass ein Co-Investor die restlichen Anteile nicht mehr miterwerben konnte. Stattdessen müssen seither nun 10,1 Prozent von einem Verkäufer zurückbehalten und für mindestens weitere zehn Jahre behalten werden. Share Deals wurden damit aus Grunderwerbsteuersicht unattraktiver.
„Seit 2021 sehen wir einen starken Rückgang bei Share Deals und eine Zunahme der Asset Deals“, berichtet Stephanie Keßner, Spezialistin für Immobilienbesteuerung und Partner bei KPMG. „Die wirtschaftlichen Nachteile eines Co-Investments mit einem zu mindestens 10,1 Prozent beteiligten Minderheitsgesellschafter sind für viele Marktteilnehmer zu hoch.“ Dennoch werden Share Deals weiterhin bei Transaktionen genutzt. „Denn der wesentliche Vorteil eines Share Deals im Verhältnis zum Asset Deal liegt in der vergleichsweise einfachen Abwicklung. Zusätzlich bestehen auch erhebliche außersteuerliche Vorteile bei Übertragung der Anteile der grundstückshaltenden Gesellschaft im Vergleich zur Übertragung des Grundstücks,“ erläutert Dr. Henrik Sundheimer, Steuerberater und Partner bei Grant Thornton und unter anderem auf Immobilienbesteuerung spezialisiert.
Weitere Verschärfungen traten zum Ende des Jahres 2022 in Kraft. Sie betreffen die Anzeigepflichten und sehen vor, dass bei der Übertragung von 90 Prozent oder mehr der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft – mithin vor allem bei der Übertragung aller Anteile – nun stets zwei Anzeigen erforderlich sind. Zuerst muss der Abschluss des Kaufvertrags (Signing) durch den Anteilserwerber angezeigt werden. Dann muss der dingliche Übergang der Anteile (Closing) durch die Zielgesellschaft angezeigt werden. Die Frist für die jeweilige Anzeige beträgt im Regelfall 14 Tage, bei ausländischen Steuerschuldnern greift eine verlängerte Frist von einem Monat.
Anzeigepflichten als Fehlerquellen
Die Anzeigen sind dabei aufgrund der Vielzahl erforderlicher Daten praktisch oftmals herausfordernd. Wenn eine der beiden Anzeigen nicht fristgerecht erfolgt oder nicht vollständig ist, entsteht im Ergebnis eine doppelte Grunderwerbsteuer. Bei doppelt fristgerechter und vollständiger Anzeige ist bei der Closing-Anzeige ein Antrag zu stellen, mit dem die Steuerfestsetzung auf das Signing wieder zurückgenommen wird. Dann wird im Ergebnis nur einmal besteuert. „Die Regelung ist unnötig und schießt über das Ziel hinaus,“ kommentiert Manuel Brühl, Managing Partner bei Wallberg & Cie. „Vielen war sie zudem nicht bekannt, sodass es häufig zur zweifachen Besteuerung kam.“
Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die gesetzliche Neuerung rückwirkend anwendbar sein soll und daher von der Finanzverwaltung auch rückwirkend angewendet wird. Vor der gesetzlichen Verschärfung gab es indes Verlautbarungen der Finanzverwaltung, die in der Praxis so verstanden wurden, dass bei einem Closing innerhalb von zwölf Monaten nach dem Signing keine Signing-Anzeige erforderlich war. In der Praxis wurden daher bis zur gesetzlichen Änderung zum Ende 2022 oftmals keine Signing-Anzeigen vorgenommen.
Doppelbelastung droht auch bei Holding-Strukturen
Selbst bei fristgerechten und vollständigen Grunderwerbsteueranzeigen kann sich nach jüngster Auffassung der Finanzverwaltung eine grunderwerbsteuerliche Doppelbelastung ergeben, wenn nicht die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft selbst, sondern an einer Holding oberhalb dieser Gesellschaft auf mehrere Erwerber übertragen werden. Die Bundesländer haben in gleichlautenden Ländererlassen vom 16. Oktober 2023 ihre Auffassung kundgetan, dass – je nach zeitlicher Abfolge der Grundstückserwerbe durch die Gesellschaft – das Grundstück für Zwecke der Share-Deal-Tatbestände zusätzlich auch der Holding darüber zuzurechnen sein kann. Aufgrund der vehementen Kritik aus der Praxis wird bereits über eine Korrektur diskutiert.
„Diese Zurechnung, bei der fiktiv ein zweites Grundstück angenommen und besteuert wird, ist inhaltlich nicht nachvollziehbar“, so Professor Dr. Thomas Wagner, Partner bei Ernst & Young (EY). Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Grundstückszurechnung zur Holding zwar vermeintlich auf Urteilen des Bundesfinanzhofes basiert. Allerdings würden die Grundstücke nach dieser Rechtsprechung nicht verdoppelt. Zudem bezog sich die Rechtsprechung auf die Rechtslage vor der Share Deal-Reform vom 1. Juli.2021.
Dr. Henrik Sundheimer sieht in der aktuellen Gefahr der Doppelbesteuerung bei Immobilientransaktionen und der insgesamt angewachsenen Bürokratie ein großes Problem für die Attraktivität Deutschlands als Immobilieninvestitionsstandort. Das sei auch ausländischen Investoren nicht mehr vermittelbar. „Die Aspekte der Wirtschaftlichkeit und Rentabilität kommen im Gesetzgebungsprozess kaum noch vor. Das ist der falsche Weg.“ Mancher erkennt zudem die Absicht, die Länderfinanzen über das Steuerrecht zu sanieren.
Diskussionsentwurf für eine grundsätzliche Share-Deal-Reform
Seit Sommer 2023 liegt ein Diskussionsentwurf des Bundesfinanzministeriums (BMF) zur Reform des Grunderwerbsteuergesetzes vor. Der Diskussionsentwurf geht teilweise auf Ideen des Arbeitskreises Grunderwerbsteuer des Instituts für Steuerrecht der Universität Leipzig zurück. Professor Dr. Thomas Wagner ist einer der Mitglieder des Arbeitskreises: „Es ging darum, die verschiedenen parallel anwendbaren Share-Deal-Tatbestände wieder auf ihre Grundkonzeption zurückzuführen. Dabei sollten zum einen verbleibende Gestaltungslücken geschlossen werden. Zum anderen sollten aber auch doppelte Belastungen durch dieselbe Transaktion ausgeschlossen werden. Ferner waren nach dem Grundkonzept auch Vereinfachungen beim Besteuerungsverfahren vorgesehen, insbesondere mit Blick auf die fehleranfälligen Grunderwerbsteueranzeigen.“ Falls der Diskussionsentwurf des BMF umgesetzt würde, dürfte ein Share Deal künftig nicht mehr grunderwerbsteuerlich motiviert sein.
Marcus Stanzel, Senior Manager und Grunderwerbsteuer-Experte bei KPMG, sieht dennoch die Reform kritisch und erwartet, dass die neuen unbestimmten Rechtsbegriffe zu vielen gerichtlichen Auseinandersetzungen führen werden. Dirk Schellhorn, Rechtsanwalt bei Meilicke Hoffmann & Partner meint, die vorgestellten Regelungen seien im Hinblick auf ihre Rechtsformneutralität sowie gewisse Vereinfachungsregelungen sicherlich begrüßenswert, allerdings erscheinen auch ihm manche Begriffe wie die hier eingeführte „Erwerbergruppe“ streitanfällig.
Kurzfristig ist jedenfalls – aufgrund des Widerstandes der Ländervertreter – keine Einigung mit Blick auf den Diskussionsentwurf des BMF zu erwarten. Allerdings wurde im Zuge der MoPeG-Anpassungen zum Ende des Jahres 2023 eine grundlegende Reform bis zum 31.12.2026 angekündigt. Mopeg steht für „Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz“. Ob diese auf dem BMF-Diskussionsentwurf oder auf anderen Überlegungen basiert, ist derzeit noch unklar.