Elb­phil­har­mo­nie – Wel­ches Fazit zogen die Betei­lig­ten aus dem Pro­jekt?

Die Stadt Ham­burg hat im Rück­blick auf das Pro­jekt Elb­phil­har­mo­nie neue Regeln für öffent­li­che Auf­trag­ge­ber zum kos­ten­sta­bi­len Bau­en ver­fasst und dabei wich­ti­ge Erkennt­nis­se zusam­men­ge­stellt. Enno Iser­mann, der das Pro­jekt vie­le Jah­re auf­sei­ten der Stadt beglei­te­te, fasst hier die zen­tra­len Ergeb­nis­se zusam­men.
Enno Isermann
© Nicolai Wieckmann
Enno Iser­mann ist Pres­se­spre­cher der Behör­de für Kul­tur und Medi­en in Ham­burg und hat das Pro­jekt „Elb­phil­har­mo­nie“ vie­le Jah­re beglei­tet.

Die Elb­phil­har­mo­nie erlang­te nicht nur wegen ihrer außer­or­dent­li­chen Archi­tek­tur, Grö­ße und kul­tu­rel­len Bedeu­tung Welt­ruhm. Es war auch ein Bau­vor­ha­ben mit außer­ge­wöhn­li­chen Schwie­rig­kei­ten und Anfor­de­run­gen, die beson­ders mit den unter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven auf das Bau­pro­jekt zusam­men­hin­gen. Die Plä­ne für die Elb­phil­har­mo­nie star­te­ten im Jahr 2003, fer­tig­ge­stellt wur­de das Bau­werk im Jahr 2016, eröff­net Anfang 2017. Das heu­ti­ge Wahr­zei­chen, ein 110 Meter hoher Gebäu­de­kom­plex mit viel­fäl­ti­ger, anspruchs­vol­ler Nut­zung, durch­lief vie­le Pha­sen. Nicht immer war klar, ob das Pro­jekt jemals abge­schlos­sen wer­den wür­de.

Enno Iser­mann, Pres­se­spre­cher der Behör­de für Kul­tur und Medi­en in Ham­burg, im Inter­view:

Herr Iser­mann, was war für Sie das Beson­de­re an die­sem Pro­jekt?
In Ham­burg steht heu­te ein groß­ar­ti­ges Kon­zert­haus. Vor allem seit der Fer­tig­stel­lung 2016 ist es ein star­ker Anzie­hungs­punkt für den Tou­ris­mus und Publi­kum aus aller Welt. Gleich­zei­tig ist die Elb­phil­har­mo­nie viel mehr als ein Kon­zert­haus, es gehö­ren dazu ein öffent­lich begeh­ba­rer Platz in 37 Metern Höhe, die Pla­za, ein Hotel, Gas­tro­no­mie und Woh­nun­gen. Der Boden der Pla­za ist mit roten Zie­gel­stei­nen gepflas­tert – eine Remi­nis­zenz an den his­to­ri­schen Back­stein­spei­cher. Von dort hat man eine beein­dru­cken­de Aus­sicht auf die gan­ze Stadt.

Auch bau­lich birgt das Gebäu­de vie­le ange­neh­me Über­ra­schun­gen, oder?
Das stimmt, denn der Bau ist ein archi­tek­to­ni­sches Uni­kat – und das bis ins kleins­te Detail. Jedes Ele­ment der schim­mern­den Glas­fas­sa­de etwa ist indi­vi­du­ell bedruckt und die meis­ten sind zudem gebo­gen, wodurch beson­de­re Licht­re­fle­xio­nen erzeugt wer­den, eben­so wie die Ele­men­te der Wei­ßen Haut des gro­ßen Kon­zert­saals, der mit ver­ant­wort­lich ist für die groß­ar­ti­ge Akus­tik. Hin­zu kommt, dass das Orches­ter hier in der Mit­te sitzt, dadurch hört jeder sehr gut und es wird ein ganz eige­nes Gefühl des Mit­ein­an­ders erzeugt. Und die­ses Prin­zip gilt letzt­lich für das gesam­te Gebäu­de: Es ist ein zutiefst demo­kra­ti­sches Gebäu­de, das allen Men­schen das glei­che phan­tas­ti­sche Erleb­nis bie­tet.

Der Weg dahin war lang und beschwer­lich, oft an der Gren­ze des Mög­li­chen …
Ja, es gab bei die­sem außer­or­dent­li­chen Bau­werk vie­le Hin­der­nis­se, Feh­ler und Schwie­rig­kei­ten, so die Unei­nig­keit der Betei­lig­ten in der Bau­pha­se, Miss­ver­ständ­nis­se und Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten auf­grund unter­schied­li­cher Blick­win­kel auf das Pro­jekt – unter ande­rem des­halb kam es schließ­lich zur bekann­ten Kos­ten­stei­ge­rung. Am Ende waren aber alle froh, an die­sem wun­der­ba­ren Archi­tek­tur- und Kul­tur­pro­jekt mit­ge­ar­bei­tet zu haben. Wir als Stadt haben die Pro­jekt­ge­schich­te Punkt für Punkt und auch mit zwei Unter­su­chungs­aus­schüs­sen ana­ly­siert und auf­ge­ar­bei­tet. Dabei ging es auch dar­um, die ent­stan­de­nen Pro­ble­me künf­tig von vorn­her­ein zu ver­mei­den.

Und dafür hat die Han­se­stadt kürz­lich einen Leit­fa­den für öffent­li­che Bau­herrn ent­wi­ckelt.
Der Senat hat neue Regeln für das kos­ten­sta­bi­le Bau­en beschlos­sen. Damit sich sol­che Ent­wick­lun­gen wie bei der Elb­phil­har­mo­nie nicht wie­der­ho­len.

Wie kann man die zen­tra­len Feh­ler bei dem Bau der Elb­phil­har­mo­nie zusam­men­fas­sen?
Der zen­tra­le Feh­ler war, dass zu früh mit den Bau­ar­bei­ten begon­nen wur­de.

Bei einem Pro­jekt, bei dem auch zahl­rei­che Inno­va­tio­nen und beson­de­re Her­aus­for­de­run­gen gewagt wer­den, muss man sich aus­rei­chend Zeit zum ordent­li­chen Pla­nen neh­men. Es wur­de hier ja in vie­len Berei­chen etwas „Nie Dage­we­se­nes“ geschaf­fen, ob der ent­kop­pel­te und zugleich run­de Kon­zert­saal, der prak­tisch im Gebäu­de „schwebt“, oder die ein­zig­ar­tig geschwun­ge­nen und bedruck­ten Glas­schei­ben-Ele­men­te der Fas­sa­den. Sol­che Sachen muss man mit den Betei­lig­ten früh­zei­tig genau pla­nen und über pas­sen­de Lösun­gen nach­den­ken. Auch „Puf­fer“ bei der Umset­zung sind schon hier ein­zu­kal­ku­lie­ren.

Das bedeu­tet, dass die Pla­nung des Gebäu­des vor dem Bau­start im Wesent­li­chen fer­tig­ge­stellt sein soll­te und hier­über unter den Betei­lig­ten Einig­keit her­ge­stellt sein soll­te, um die Kos­ten kor­rekt zu ermit­teln – beson­ders wich­tig ist dies, wenn es um ein so außer­ge­wöhn­li­ches Bau­werk geht. Wenn man dies bau­be­glei­tend machen will, geht es schnell schief. Als Stadt wer­den wir des­halb künf­tig erst ordent­lich zu Ende pla­nen. Im Umkehr­schluss bedeu­tet das auch, dass zunächst mehr Geld für die Pla­nung bewil­ligt und inves­tiert wer­den muss.

Das Bau­team bestand bei der Elb­phil­har­mo­nie aus den Archi­tek­ten, Hoch­tief als Gene­ral­un­ter­neh­mer und der stadt­ei­ge­nen Rea­li­sie­rungs­ge­sell­schaft REGE als Pro­jekt­steue­rer. Für die­ses Pro­jekt war die gewähl­te Kon­stel­la­ti­on gekop­pelt mit der nicht abge­schlos­se­nen Pla­nung unglück­lich, da Archi­tekt und Bau­un­ter­neh­mer unab­hän­gig von­ein­an­der beauf­tragt wor­den waren. Der Auf­trag­ge­ber steht dann schnell zwi­schen den Fron­ten. Und immer wie­der steht man vor der Fra­ge, ob eine neue Pla­nung nun eine Plan­än­de­rung ist, die zu begrün­de­ten Mehr­kos­ten führt, oder nur eine not­wen­di­ge Kon­kre­ti­sie­rung. So konn­ten die Ter­mi­ne schließ­lich nicht ein­ge­hal­ten wer­den.

Und die Lösung der Pro­ble­me war schließ­lich neben unver­meid­lich gewor­de­nen Bud­ge­t­auf­sto­ckun­gen die Neu­aus­rich­tung der Kon­stel­la­ti­on?
Ja, die voll­stän­di­ge Neu­ord­nung des Pro­jekts im Jahr 2013 war der Schlüs­sel, sie lös­te die Sta­gna­ti­on auf und hat das Pro­jekt wie­der erfolg­reich zum Lau­fen gebracht. Damit es wei­ter­ge­hen konn­te, haben zunächst alle die noch aus­ste­hen­den Pla­nun­gen been­det und sich auf eine kla­re Rol­len­ver­tei­lung ver­stän­digt. Dabei beauf­trag­te die Stadt als Bau­her­rin den Gene­ral­un­ter­neh­mer mit einem klar aus­ge­han­del­ten Ver­trag für Zeit­schie­ne und Bud­get. Hoch­tief über­nahm die Ver­ant­wor­tung und beauf­trag­te selbst die Archi­tek­ten denen kla­re Rech­te zuge­spro­chen wur­den und sämt­li­che Sub­un­ter­neh­mer. Nach die­ser Neu­ord­nung lief alles sehr gut und nach Plan.

Wel­ches Fazit zie­hen Sie aus die­sem Pro­jekt?
… dass ganz beson­ders für anspruchs­vol­le Pro­jek­te gilt: zu Anfang aus­rei­chend Zeit in die Vor­pla­nung ste­cken, Risi­ken im Dia­log mit den Auf­trag­neh­mern anspre­chen und klä­ren und sich auf ein gemein­sa­mes Vor­ge­hen ver­stän­di­gen. Dann las­sen sich für das jewei­li­ge Pro­jekt die bes­ten Ent­schei­dun­gen tref­fen.

Gibt es aus Ihrer Per­spek­ti­ve etwas, das Sie als Tipp wei­ter­ge­ben möch­ten?
Wir den­ken, dass die neu­en Regeln zum kos­ten­sta­bi­len Bau­en dazu bei­tra­gen kön­nen, nicht nur in Ham­burg, son­dern auch bun­des­weit die Zusam­men­ar­beit zwi­schen pri­vat­wirt­schaft­li­chen und öffent­li­chen Akteu­ren zu ver­bes­sern – und das ganz sicher­lich im Sin­ne aller Betei­lig­ten.

Die Elb­phil­har­mo­nie erlang­te nicht nur wegen ihrer außer­or­dent­li­chen Archi­tek­tur, Grö­ße und kul­tu­rel­len Bedeu­tung Welt­ruhm. Es war auch ein Bau­vor­ha­ben mit außer­ge­wöhn­li­chen Schwie­rig­kei­ten und Anfor­de­run­gen, die beson­ders mit den unter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven auf das Bau­pro­jekt zusam­men­hin­gen….