Die Elbphilharmonie erlangte nicht nur wegen ihrer außerordentlichen Architektur, Größe und kulturellen Bedeutung Weltruhm. Es war auch ein Bauvorhaben mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten und Anforderungen, die besonders mit den unterschiedlichen Perspektiven auf das Bauprojekt zusammenhingen. Die Pläne für die Elbphilharmonie starteten im Jahr 2003, fertiggestellt wurde das Bauwerk im Jahr 2016, eröffnet Anfang 2017. Das heutige Wahrzeichen, ein 110 Meter hoher Gebäudekomplex mit vielfältiger, anspruchsvoller Nutzung, durchlief viele Phasen. Nicht immer war klar, ob das Projekt jemals abgeschlossen werden würde.
Enno Isermann, Pressesprecher der Behörde für Kultur und Medien in Hamburg, im Interview:
Herr Isermann, was war für Sie das Besondere an diesem Projekt?
In Hamburg steht heute ein großartiges Konzerthaus. Vor allem seit der Fertigstellung 2016 ist es ein starker Anziehungspunkt für den Tourismus und Publikum aus aller Welt. Gleichzeitig ist die Elbphilharmonie viel mehr als ein Konzerthaus, es gehören dazu ein öffentlich begehbarer Platz in 37 Metern Höhe, die Plaza, ein Hotel, Gastronomie und Wohnungen. Der Boden der Plaza ist mit roten Ziegelsteinen gepflastert – eine Reminiszenz an den historischen Backsteinspeicher. Von dort hat man eine beeindruckende Aussicht auf die ganze Stadt.
Auch baulich birgt das Gebäude viele angenehme Überraschungen, oder?
Das stimmt, denn der Bau ist ein architektonisches Unikat – und das bis ins kleinste Detail. Jedes Element der schimmernden Glasfassade etwa ist individuell bedruckt und die meisten sind zudem gebogen, wodurch besondere Lichtreflexionen erzeugt werden, ebenso wie die Elemente der Weißen Haut des großen Konzertsaals, der mit verantwortlich ist für die großartige Akustik. Hinzu kommt, dass das Orchester hier in der Mitte sitzt, dadurch hört jeder sehr gut und es wird ein ganz eigenes Gefühl des Miteinanders erzeugt. Und dieses Prinzip gilt letztlich für das gesamte Gebäude: Es ist ein zutiefst demokratisches Gebäude, das allen Menschen das gleiche phantastische Erlebnis bietet.
Der Weg dahin war lang und beschwerlich, oft an der Grenze des Möglichen …
Ja, es gab bei diesem außerordentlichen Bauwerk viele Hindernisse, Fehler und Schwierigkeiten, so die Uneinigkeit der Beteiligten in der Bauphase, Missverständnisse und Meinungsverschiedenheiten aufgrund unterschiedlicher Blickwinkel auf das Projekt – unter anderem deshalb kam es schließlich zur bekannten Kostensteigerung. Am Ende waren aber alle froh, an diesem wunderbaren Architektur- und Kulturprojekt mitgearbeitet zu haben. Wir als Stadt haben die Projektgeschichte Punkt für Punkt und auch mit zwei Untersuchungsausschüssen analysiert und aufgearbeitet. Dabei ging es auch darum, die entstandenen Probleme künftig von vornherein zu vermeiden.
Und dafür hat die Hansestadt kürzlich einen Leitfaden für öffentliche Bauherrn entwickelt.
Der Senat hat neue Regeln für das kostenstabile Bauen beschlossen. Damit sich solche Entwicklungen wie bei der Elbphilharmonie nicht wiederholen.
Wie kann man die zentralen Fehler bei dem Bau der Elbphilharmonie zusammenfassen?
Der zentrale Fehler war, dass zu früh mit den Bauarbeiten begonnen wurde.
Bei einem Projekt, bei dem auch zahlreiche Innovationen und besondere Herausforderungen gewagt werden, muss man sich ausreichend Zeit zum ordentlichen Planen nehmen. Es wurde hier ja in vielen Bereichen etwas „Nie Dagewesenes“ geschaffen, ob der entkoppelte und zugleich runde Konzertsaal, der praktisch im Gebäude „schwebt“, oder die einzigartig geschwungenen und bedruckten Glasscheiben-Elemente der Fassaden. Solche Sachen muss man mit den Beteiligten frühzeitig genau planen und über passende Lösungen nachdenken. Auch „Puffer“ bei der Umsetzung sind schon hier einzukalkulieren.
Das bedeutet, dass die Planung des Gebäudes vor dem Baustart im Wesentlichen fertiggestellt sein sollte und hierüber unter den Beteiligten Einigkeit hergestellt sein sollte, um die Kosten korrekt zu ermitteln – besonders wichtig ist dies, wenn es um ein so außergewöhnliches Bauwerk geht. Wenn man dies baubegleitend machen will, geht es schnell schief. Als Stadt werden wir deshalb künftig erst ordentlich zu Ende planen. Im Umkehrschluss bedeutet das auch, dass zunächst mehr Geld für die Planung bewilligt und investiert werden muss.
Das Bauteam bestand bei der Elbphilharmonie aus den Architekten, Hochtief als Generalunternehmer und der stadteigenen Realisierungsgesellschaft REGE als Projektsteuerer. Für dieses Projekt war die gewählte Konstellation gekoppelt mit der nicht abgeschlossenen Planung unglücklich, da Architekt und Bauunternehmer unabhängig voneinander beauftragt worden waren. Der Auftraggeber steht dann schnell zwischen den Fronten. Und immer wieder steht man vor der Frage, ob eine neue Planung nun eine Planänderung ist, die zu begründeten Mehrkosten führt, oder nur eine notwendige Konkretisierung. So konnten die Termine schließlich nicht eingehalten werden.
Und die Lösung der Probleme war schließlich neben unvermeidlich gewordenen Budgetaufstockungen die Neuausrichtung der Konstellation?
Ja, die vollständige Neuordnung des Projekts im Jahr 2013 war der Schlüssel, sie löste die Stagnation auf und hat das Projekt wieder erfolgreich zum Laufen gebracht. Damit es weitergehen konnte, haben zunächst alle die noch ausstehenden Planungen beendet und sich auf eine klare Rollenverteilung verständigt. Dabei beauftragte die Stadt als Bauherrin den Generalunternehmer mit einem klar ausgehandelten Vertrag für Zeitschiene und Budget. Hochtief übernahm die Verantwortung und beauftragte selbst die Architekten denen klare Rechte zugesprochen wurden und sämtliche Subunternehmer. Nach dieser Neuordnung lief alles sehr gut und nach Plan.
Welches Fazit ziehen Sie aus diesem Projekt?
… dass ganz besonders für anspruchsvolle Projekte gilt: zu Anfang ausreichend Zeit in die Vorplanung stecken, Risiken im Dialog mit den Auftragnehmern ansprechen und klären und sich auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen. Dann lassen sich für das jeweilige Projekt die besten Entscheidungen treffen.
Gibt es aus Ihrer Perspektive etwas, das Sie als Tipp weitergeben möchten?
Wir denken, dass die neuen Regeln zum kostenstabilen Bauen dazu beitragen können, nicht nur in Hamburg, sondern auch bundesweit die Zusammenarbeit zwischen privatwirtschaftlichen und öffentlichen Akteuren zu verbessern – und das ganz sicherlich im Sinne aller Beteiligten.