„Lieferketten und hohe Preise sind nicht das Hauptproblem“

Welche Faktoren verteuern das Bauen wirklich? Irmelin Ehrig hat bei Michael Hölker, Geschäftsführer beim Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel, nachgefragt.
Unser Bei­trag erschien auch bei immo­bi­li­en­ma­na­ger.de
Hoelker, Michael
© BDB
Michael Hölker, Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel e. V. (BDB)

Herr Hölker, können die Hersteller ihre Produkte für den Bau noch ausreichend fertigen und liefern?

Das Problem aus Sicht des Fachhandels ist, dass die „Nichtlieferfähigkeit“ oft sehr pauschal gemeldet wird, unabhängig davon, ob es sich um den Tief- oder den Wohnungsbau handelt. Anfang 2020 gab es Themen beim Holz, aber wie bei anderen Materialien, etwa Stahl, haben sie sich wieder relativiert. Massenbaustoffe wie Steine, Dämmstoffe oder Beton sind in Europa, speziell in Deutschland, vergleichsweise günstig. Und auch wenn es globale Verschiebungen bei den Warenströmen gibt: Alle Produkte hier sind – zumindest als Substitute – lieferbar.

Wo sehen Sie dann das Problem?

Das Hauptproblem ist, dass wir ständig neue Auflagen sowie wechselnde und unsichere Förderszenarien für Investoren haben. Ein Beispiel dafür ist die CO²-Umlage, die den ersten großer Sprung bei den Energiekosten verursachte – und das weit vor der Ukraine-Krise. An der Zapfsäule war es für jeden ersichtlich und gleichzeitig vorhersehbar, dass viele Handwerker diese massiven Kostensteigerungen zu überwälzen versuchen. Dann folgten die Effekte aus der aktuellen Energiekrise…

Das heißt, es sind neben der Energiekrise vor allem die politischen Entscheidungen, die das Bauen und die Bauprodukte verteuern?

Ja, und hier zeigt sich ein weiteres Problem: die mangelnde Transparenz bei den Baukosten. Niemand weiß genau, wie hoch der Anteil der unterschiedlichen Teuerungsfaktoren tatsächlich ist. Denn die Grundstücke sind knapp und teuer, hinzu kommen Produktänderungen, etwa von Gas- und Ölheizungen zu Wärmepumpen, die zu neuen Engpässen führen. Gleichzeitig steigen die Finanzierungskosten im Vergleich zur Niedrigzinsphase deutlich an – und last, but not least steigen auch die Material- und Lohnkosten. Selbst wenn die Preise bei manchen Produkten wieder sinken, haftet ihnen der „Teuerungsmakel“ an, obwohl sie – und das ist der Punkt – nicht die eigentlichen Kostentreiber sind.

Zugunsten der Transparenz hat der Staat doch mit Maßnahmen reagiert – Stichwort: Preisgleitklauseln.

Das ist richtig: Bei öffentlichen Aufträgen. Und die machen nur ca. 15 % des Gesamtvolumens aus. Hier kann man Preisgleitklauseln in Anspruch nehmen. Das Problem dabei ist, dass die Fachunternehmer ihre Kalkulation offenlegen und die Preisgestaltung an einen Index binden müssen. Wenn die Preise fallen, bekommen sie so eventuell weniger für ihr Material als ursprünglich kalkuliert. Fakt ist: Die Arge Kiel ermittelte bei den Bauwerkskosten (KG 300/400) pro m² rund 4.500,- Euro, davon ca. 2.800,- Euro für Material und Lohn. Der reine Materialanteil liegt bei 1.800 Euro. Selbst wenn sich dieser um 20 % verteuert, würden diese Projekte realisiert.

Kern des Problems sind also in erster Linie zunehmende Auflagen?

Es ist nach wie vor so, dass das Anziehen energetischer Standards einen nicht unerheblichen Teil zur Kostensteigerung beiträgt, der nichts mit Energiekostensteigerungen oder Engpässen in Lieferketten zu tun hat. Vielmehr hat es damit zu tun, dass der Gesetzgeber immer mehr Technik und ausgeklügelte Installationen im Gebäude vorsieht. Viele meinen, damit Energie zu sparen. Aber wenn die Steuerungstechnik energieintensiv ist, inklusive Unterhalt und Wartung, dann bewegen wir uns bereits gemäß Gebäudeenergiegesetz auf einem so hohen, guten Niveau, dass man mit der zusätzlichen Installation von Anlagen nicht mehr nachhaltig wirtschaftlichen kann. Zu bedenken ist auch, dass die TGA nicht die gleiche Haltbarkeit besitzt wie andere Bauteile. Das ist einer der Gründe, weshalb die Verbände für eine angemessene Abschreibung von 3 % plädieren.

Die Fördermittel des neuen GEG sollten ja dazu beitragen, Zusatzkosten bei der Energieeffizienz abzufedern.

Das hilft nicht weiter, wenn praxisferne Maßnahmen beschlossen und verkündet werden wie beim Auslaufen des KfW-55-Standards Anfang 2022. Dadurch hat nicht die Bauministerin, sondern klar das Wirtschaftsministerium in hohem Maß zur Verunsicherung der Investoren beigetragen. Eine weitere Fehlkonstruktion ist es, Fördervergaben an Zertifizierungen zu binden wie neuerdings beim KfW-40-Standard. Dann wird mehr geprüft als gebaut – und natürlich versucht der Investor, die Zertifizierungskosten auf das Objekt umzulegen.

Was wäre eine gute Lösung?

Die Beachtung der technischen und wirtschaftlichen Fakten sowie die Berücksichtigung der fundierten Expertise aus der Baupraxis. Helfen würde durchaus auch eine größere Transparenz bei den Baukosten – daran arbeiten die Verbände. Wenn die Kostenanteile klar wären, wüssten wir, wieviel teurer das Bauen durch C02-Zuschläge mit „Lenkungswirkung“ sowie durch gestiegene Energiekosten, hohe Rohstoffpreise etc. tatsächlich wird. Und es braucht eine realistische Förderpolitik, damit wieder verlässlich kalkuliert werden kann.