2023: „Bei fast allen Rohstoffen erhebliche Preissteigerungen“

Die neue "IKB-Information Rohstoffpreise" liegt vor. Irmelin Ehrig, Redaktionsleitung von Immobilien-Projekt im Fokus, sprach mit Dr. Heinz-Jürgen Büchner über wirtschaftliche Lage und Prognosen.
Unser Bei­trag erschien auch bei immo­bi­li­en­ma­na­ger.de
IKB, Quellen: HWWI; Deutsche Bundesbank

 

Herr Dr. Büchner, welche Preis-Entwicklungen und Lieferprobleme zeichneten sich 2022 ab?

Nach den Kostensteigerungen durch Corona-Krise und CO2-Umlage hat der Russland-Ukraine-Krieg im Frühjahr 2022 die Lage noch verschärft. Die Verknappung der Güter traf gleichzeitig auf eine weltweit steigende Nachfrage, die bereits 2021 einsetzte. In Europa ist bekanntlich der Erdgasbezug durch die Sanktionen gegen Russland erheblich eingeschränkt, teils sogar unterbrochen. Besonders betroffen sind in Deutschland die Aluminium- und Stahlindustrie, weil das Rohmaterial für die Weiterverarbeitung und Herstellung fehlt. So kam es auch bei den Baustoffen zu teils starken Preiserhöhungen. Ein weiteres Problem ist, dass mit dem Krieg die bereits bestehenden Transportprobleme eskaliert sind, da 100.000 LKW-Fahrer aus der Ukraine kamen und jetzt im Wehrdienst sind. Damit bleiben diese Kapazitäten auf lange Zeit aus. Zugleich ist die Stahlproduktion, Russlands und der Ukraine zusammengenommen, um ca. 20 % eingebrochen, diejenige in der Ukraine jedoch wesentlich stärker.

Wie hätte sich eine Gasumlage ausgewirkt?

Eine Gasumlage ist natürlich ein erheblicher zusätzlicher Kostenfaktor. Wenn die Energieversorgung nicht anders und günstiger sichergestellt wird, bedeutet es, dass Anlagen, die etwa für den Baustahl produzieren, nicht wirtschaftlich betrieben werden können und abgeschaltet werden müssen. Das Gros der Stahlprodukte für den Bau hierzulande kommt aus deutschen Stahlwerken. Insgesamt produziert Deutschland rund 40 Millionen Tonnen Stahl, wovon auch größere Mengen ins Ausland gehen, sehr hochwertige Sorten, die vor allem für die Automobilindustrie weltweit, aber auch für den internationalen Bau von Windanlagen eingesetzt werden. Baustahl hingegen ist sehr transportsensibel, Importe sind daher schwierig und teuer.  Problem ist, wenn man in Deutschland die Stahl- oder Aluminiumproduktion beendet, muss man diese Materialien aus anderen Ländern einführen, die mit sehr viel geringeren Umweltstandards wie in China oder den USA hergestellt werden – oft zu höheren Preisen und geringerer Qualität.

Wie wird sich die Marktlage bis zum Jahresende und in 2023 entwickeln?

Bei den Prognosen ist zu beachten, dass es bezüglich Preisen und Verfügbarkeit stets regionale Unterschiede gibt, die vom Haupttrend abweichen. Insgesamt sehen wir aber einen erneuten Anstieg der Rohstoffpreise. Bei vielen Rohstoffen wie Stahl war beispielsweise für die Bauindustrie einige Monate ein Preisrückgang zu verzeichnen, der im August 2022 einen Tiefstand erreicht hatte: in Deutschland mit ca. 1.050 Euro pro Tonne. Gleichzeitig ging die Stahlproduktion weltweit zurück. Wir gehen deshalb davon aus, dass sich solche Preisrückgänge nicht fortsetzen werden, sondern bis Jahresende ein erneuter leichter Anstieg zu erwarten ist. Dafür spricht auch, dass wegen zu hoher Energiepreise in Deutschland nun ein weiterer Hochofen stillgelegt werden musste. Auch Kunststoffe wie Polystyrol oder PVC haben sich deutlich verknappt, die Produktion wurde gedrosselt. Selbst wenn die Preise hier noch recht stabil sind, könnten sie bis Jahresende wieder deutlich anziehen. Für 2023 vermuten wir bei fast allen Rohstoffen erhebliche Preissteigerungen.

Was bedeutet diese Entwicklung für die Industrien in Deutschland?

Zu befürchten ist, dass viele Hersteller wegen der hohen Industriekosten ihre Produktionsstätten ins Ausland verlagern, weil sie in Deutschland weder kostendeckend noch gewinnbringend wirtschaften können. Hinzu kommt, dass die Transportkosten zum Teil um den Faktor 10 explodiert sind. Beim gleichzeitigen Ausstieg aus der Energieversorgung mit Kernkraft, Kohle und Gas bleibt für eine stabile Grundlast nicht viel übrig – und damit nichts für einen Wirtschaftsstandort.

Das Interview erschien erstmals im September 2022.