Sanieren in Serie

CO₂-Emissionen werden immer mehr eingeschränkt. Bereits jetzt wird deshalb nach effizienten wie wirtschaftlichen Lösungen durch serielles Sanieren gesucht.
Unser Beitrag erschien auch in der April/Mai-Ausgabe (02/2022) des imobilienmanager.
Opitz Holzbau, Neuruppin, Herstellung
© Bachmann Photography
Opitz Holzbau: Herstellung von Bauteilen für Wände, Decken, Dächer

Gemäß dem Gesetzespaket „Fit for 55“ der EU-Kommission sollen unter anderem bis 2030 Gebäude der Effizienzklasse G und H, meist Objekte der 50er- bis 70er-Jahre, nicht mehr vermietbar sein – und unterliegen damit einem Sanierungszwang. Die Lösungsansätze für das Problem sind vielfältig.

Serielles Sanieren mit „Energiesprong“

Positive Ergebnisse bei der energetischen Sanierung erzielt man in Holland mit dem innovativen Konzept „Energiesprong“, bei dem das Gebäude großflächig mit einer neuen Dach- und Fassadenhülle eingefasst wird. Die seriell produzierten Bauteile integrieren bereits die Haustechnik und lassen sich schnell und kosteneffizient anbringen. Ziel ist es, einen möglichst hohen Dämmeffekt zu erreichen und über erneuerbare Energien wie PV und Wärmepumpen den energetischen Standard zu erhöhen. Über die Jahresbilanz gerechnet handelt es sich um Null-Energiehäuser.

Voraussetzung dieser Methodik sind möglichst baugleiche Häuser. Da in den Niederlanden zu einem großen Teil Reihenhäuser saniert werden, funktioniert das Konzept hier. Ein erstes deutsches Energiesprong-Projekt, fertiggestellt im Dezember 2020, realisierte Ecoworks in Hameln. Komplette Fassadenteile inklusive Haustechnik wurden nach Maß gefertigt. Etwa 20 Minuten je Bauteil dauerte laut Ecoworks die Installation. Der Häuserblock verfügt nach Sanierung über Net-Zero-Standard.

„Das Projekt ist gut gelungen, aber noch deutlich davon entfernt in Serie zu gehen“, sagt Fabian Viehrig, Leiter Bauen und Technik des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. „Die Kosten passen noch nicht und in diesem Pilot-Stadium bewegen sich auch die nächsten Projekte. Wir benötigen zudem recht variable Lösungen, da die zu sanierenden Gebäude zwar oft ähnlich, aber nicht unbedingt baugleich sind. Hier sind noch viele gute Ideen gefragt.“

„Pilotphase beenden und in die Breite gehen“

„Um mehrgeschossige Wohnhäuser in Deutschland seriell zu sanieren, müssen wir den Pilotstatus beenden und in die Breite wirken. An der Schwelle stehen wir jetzt.“ So sieht es Dr. Burkhard Schulze Darup, Architekt und Spezialist für serielles Sanieren. Dazu gehört ein aktuelles Projekt der Gewobau Erlangen mit 6.000 Einheiten, das in den nächsten drei Jahren mit seriellen Techniken quartiersweise Klimaneutralität erreichen soll. „Die Gebäude erhalten eine seriell gefertigte hochwärmedämmende Gebäudehülle, hohen Komfort durch Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung und zentrale Heiztechnik über Wärmepumpen in vorgefertigten Untergrund-Cubes mit Erdwärme aus Bohrpfählen. Die Versorgung erfolgt über Photovoltaik auf den Dächern, sodass eine Plusenergiebilanz über das Jahr für Heizen, Warmwasser und Haushaltsstrom erzielt wird. Ein Betreibermodell könnte dafür sorgen, dass die avisierten Kennwerte im Betrieb erreicht werden. Dabei geht es um ein umfassendes Lastmanagement, das netzgekoppelt ein hohes Maß an Synergien schafft und so den Geldbeutel der Mieter wie auch das Versorgungssystem der Stadt entlastet“, erklärt Schulze Darup.

Gesamte Prozesse neu aufbauen

Für den Hauptverband der deutschen Bauindustrie (HDB) steht die Prozessoptimierung an erster Stelle. „Entscheidend sind nicht die Fertigbauteile an sich, sondern dass die Prozesse als Ganzes seriell aufgebaut werden“, so Dipl.-Ing. Angela Tohtz, zuständig im HDB für Klima und Hochbau. Danach braucht es Komplettangebote in großem Maßstab. „Die kleinteiligen Abläufe müssen zusammengeführt werden, etwa über einen GÜ, der Leistungen der Beteiligten bündelt und Langfrist-Garantien bietet – und über die industrielle Vorfertigung.“

Beispiele für die effiziente Verbindung von Arbeitsprozessen sind auch die Verschmelzung von Haus- und Regelungstechnik, über die man die thermischen Eigenschaften des Hauses besser steuern kann – und, so Tohtz, die Verbindung von Quartiers- und Portfoliolösungen. Die Wohnungsbaugesellschaft SAGA plant derzeit ein solches Projekt in Hamburg. Ziel ist es dort, die CO2-Einsparziele 2030/2045 des Quartiers über Niedertemperatur-Wärmenetze mit Einspeisung dezentraler regenerativer Wärmeversorgung und weiteren Aspekten wie PV-Strom, E-Mobilität sowie in der Sanierungstiefe optimierten Gebäudemaßnahmen zu erreichen. Diesen Ansatz möchte die SAGA perspektivisch auf ihre rund 137.000 Wohneinheiten „zur Absicherung sozial verträglicher Mieten und Erreichung der Klimaschutzziele für die SAGA-Flotte“ ausdehnen. Ecoworks untersucht derzeit ein städtisches Groß-Portfolio mit 15.000 Adressen. 17,5 Prozent der Objekte seien davon für die serielle Sanierung geeignet.

Technologie-Offenheit ist entscheidend

Das ZIM-Innovationsnetzwerk „Serielle Sanierung 4.0“ (SeSa) unterstützt Unternehmen bei technologischen Innovationen, die eine wirtschaftliche, soziale und klimaneutrale Gebäudesanierung ermöglichen könnten: „Für die flächendeckende Sanierung des sehr heterogen geprägten Gebäudebestandes in Deutschland gibt es nicht eine Ideallösung, sondern es bedarf verschiedener Ansätze und deren Kombination“, so Christian Reitberger, Projekt- & Netzwerkmanager der EurA AG.

Über die Wärmedämmung hinaus müssten mehr grüne Energien, intelligente TGA-Konzepte und die Speicherpotentiale der Gebäudestruktur genutzt werden, um Tag- und Nachtzyklen sowie saisonale Schwankungen zu überbrücken. Ein vielversprechender Ansatz sei es, Wärme über die vorhandene Gebäudemasse zu speichern: „Gebäudeteile, die im Zuge der Innenraumsanierung thermisch aktiviert werden, können diese Speicherfunktion übernehmen“, so Reitberger. Derzeit unterstützt SeSa auch die Erforschung grüner Gase als Speichermedien. Mit Biomethan und Wasserstoff lässt sich nach Reitberger lokal erzeugter grüner Strom für den Winter speichern. Allerdings seien noch manche Entwicklungsschritte bis zu voll integrierten, seriell vorgefertigten Lösungen notwendig. Ein erstes Wohnobjekt mit einer Power-to-Gas-Anlage (Umwandlung von PV-Strom in Methan), ist in Augsburg realisiert. Chancen sieht Reitberger darüber hinaus im 3D-Druck von Bauelementen, welche sowohl im Innenraum als auch als Gebäudehülle hochfunktional und optisch individualisierbar seien. Hierbei können auch CO2-negative Materialien zum Einsatz kommen. Mit einem Projekt zu Scan-to-BIM sollen Punktwolken aus 3D-Scans automatisch in ein 3D-Modell überführt werden, das der Vorfertigung von Bauelementen dient. Durch die Automatisierung dieses Prozesses ließe sich die serielle Sanierung stark vereinfachen und beschleunigen.

Wirtschaftlichkeit noch nicht gesichert

Es zeigen sich somit Lösungsansätze, die wirtschaftlich und teils auch technisch noch nicht funktional sind. Kombinationen verschiedener Technologien scheinen am ehesten erfolgversprechend. Bis zur Marktreife gewährt der Staat bislang wechselnde öffentliche Mittel, die Sanierungsprojekte fördern sollen.