Der Markt für temporäres Wohnen wächst weiter

Der Markt für temporäres Wohnen in all seinen Facetten wächst kontinuierlich weiter trotz Corona- und Wirtschaftskrise. Ein Blick auf die Anbieter zeigt, dass sich auch in den letzten Monaten einiges getan hat.
Unser Beitrag erschien auch in der April/Mai-Ausgabe (02/2022) des imobilienmanager.
© KAPPE Projektentwicklung, Foto: Christian Bierwagen, Peine
Bezugsfertig: Micro & Living im Quartier Berliner Straße (2022), Braunschweig

Serviced Apartments, Coliving, Aparthotels und andere Formen des temporären Wohnens haben durch Corona-Maßnahmen und Lockdowns gelitten. Laut aktueller IML-Studie aus dem Herbst 2021 hat sich etwa die Lage beim Micro-Living inzwischen bei durchschnittlich 86 Prozent Belegung stabilisiert, aber mit deutlich höherem Vermarktungsaufwand als vor der Corona-Krise. Bei den Serviced Apartments zeigten sich größere Schwankungen „mit im Schnitt nur 52 Prozent Belegung zwischen Januar und Juli 2021, aber wieder 90 Prozent nach dem Sommer“, so Anett Gregorius (Apartmentservice). Die Apartmenthotellerie mit mehr Shortstay habe dabei ihre Preisstruktur besser halten können.

Coliving und neue Investitionen

Dass Coliving am deutschen Markt ankommt, möchte der französische Anbieter Colonies beweisen, der 2019 in Berlin zwei erste Standorte eröffnet hat und nun deutschlandweit wachsen will. „Zwar steckt das Coliving hier eher in den Kinderschuhen, mehr noch als in Frankreich, England oder den USA, dennoch legen Umfang und Tiefe des Wettbewerbs nahe, dass Interesse und Potenzial auf dem deutschen Wohnungsmarkt vorhanden sind“, meint François Roth, einer der drei Gründer des Startups. Felix Embacher, Bereichsleiter Research & Data Science von Bulwiengesa hält hingegen fest, dass das Segment der wohnwirtschaftlichen temporären Wohnformen während der Corona-Krise recht robust durchgekommen sei. Erkennbar sei aber, dass die Vorstellungen zu marktfähigen Ankaufsrenditen zwischen Käufer und Verkäufer derzeit recht voneinander abweichen. Bei den Serviced-Apartment-Anbietern sind aktuell laut Anett Gregorius die „Pipelines randvoll“, das Wachstum bis 2024 mit 48 Prozent wieder gleichauf wie vor der Krise. Anbieter wie Ilive planen derzeit Apartments für Best Ager ab 55+, die Kappe Projektentwicklung will sich auf gemischte Wohnformen in Quartieren fokussieren und die International Campus Group (IC) verfolgt mit rund einer Milliarde Euro eine weitere Expansion im Mikro- und Student-Housing-Segment bis Ende 2022.

Arbeits- und Wohnungsmärkte sind Treiber

Weshalb der Bedarf gerade beim temporären Wohnen größer wird, ist auch auf den zunehmenden Fachkräfte- und Wohnungsmangel zurückzuführen. Die Studie „Mitarbeiterwohnen“ des Forschungsinstituts Regiokontext zeigt, dass Unternehmen dauerhaften oder flexiblen Wohnraum vermehrt zur Verfügung stellen, da sich Mitarbeiter so besser gewinnen lassen und der Arbeitgeber seinen Kilometer-Radius für das Recruiting erheblich erweitern kann.

Dabei geht es nicht nur um eine Art „Werkswohnen“, das laut Studie teils ein Revival erlebt. Mitarbeiterwohnen findet heute auch im Serviced-Apartment-Segment wie im Coliving statt, während umgekehrt Unternehmen eigene Apartmenthäuser mit Services anbieten, die sich nicht ausschließlich an die eigene Belegschaft richten. Ein aktuelles Beispiel ist die Beiersdorf-Stiftung Troma, die ihr Serviced-Apartment-Haus über einen „Longstay-Spezialisten“ für gewerbliches Wohnen wie Ipartment betreiben lässt. Das Haus steht auch anderen Mietern offen, Beiersdorf verfügt jedoch über exklusive Belegungsrechte. VW Immobilien hingegen ist in Wolfsburg selbst als Betreiber mit der Marke Splace aktiv.

„Heute erfüllen Serviced Apartments die Funktion des Mitarbeiterwohnens sehr viel flexibler als klassische Werks- oder Gästewohnungen“, meint Michael Ries, Vorsitzender des Pantera-Vorstandes. Solche langfristigen Bindungen seien bei dem rasanten technischen Fortschritt und der schnelllebigen wirtschaftlichen Entwicklung kaum noch prognostizierbar. Entsprechend sind die Zielgruppen mobile „Young Professionals“, internationale Projektmitarbeiter, Pendler, Auszubildende und Praktikanten. Darüber hinaus wird auch für Unternehmensberater oder Gäste gebucht.

Die Marke Smartments des Entwicklers GBI verweist auf eine Quote von 40-50 Prozent und Coliving-Anbieter HVNS auf ca. 50 Prozent bei den Kontingentbuchungen durch Unternehmen. „Die meisten mieten eine bestimmte Anzahl an Übernachtungen pro Jahr, manche 2000 oder 3000“, berichtet Daniel Zawe, Geschäftsführer Smartment Business. „Diese Zahl kann dann über das Jahr verteilt je nach betrieblichem Bedarf genutzt werden.“ HVNS bietet ein wohnwirtschaftliches Produkt für Kurz- und Langzeitwohnen, bei dem die Länge des Aufenthaltes nicht limitiert ist. „Wir sehen vor allem bei den Wachstumsbranchen wie IT und Logistik eine große Nachfrage, insbesondere wenn neue Arbeitsplätze geschaffen werden“, führt Michael Stump, Chief Operations Officer der International Campus Group, aus.

Das Angebotsspektrum wird somit weiterhin größer und differenzierter. Ipartment etwa setzt seit 2021 neben Häusern mit ca. 80 bis 180 Einheiten auch auf kleinere, besondere Objekte mit 20 bis 40 Apartments wie beim historischen Kesselhaus in Leverkusen. Mit Unternehmen werden oft individuelle, rabattierte Vereinbarungen getroffen, „wenngleich diese insgesamt nur einen kleinen Prozentsatz ausmachen, die meisten buchen nach Bedarf“, erläutert Matthias Rincón, Geschäftsführer von Ipartment. „Allerdings stellen wir fest, dass die temporären, preislich interessanten Wohnangebote vielen Unternehmen oft gar nicht bekannt sind. Insofern sehen wir neben dem großen Potenzial auch noch einige Aufklärungsarbeit für die Branche.“ Auch bei Aparthotelkonzepten zeigen sich Spezialisierungstendenzen: Das Schlafwerk in Stuttgart-Nord positioniert sich als „deutschlandweit erstes Hybridkonzept von Hotel und Boardinghouse, das konkret auf die Bedürfnisse von Handwerkern und Monteuren ausgelegt ist“, so eine Sprecherin.

Stark digitalisiert

Ein weiterer, wichtiger Aspekt des temporären Wohnens sind voll digitalisierte Prozesse wie die digitale Guest Journey, bei der die Gäste per Mailings von der Buchung bis zum Auschecken betreut werden. Darüber hinaus werden Online-Zugänge ohne Apps zur Selbstverwaltung (24h) geboten: mit digitalem Meldeschein, Mietvertrag, Rechnungsstellung und mehr. Thema ist inzwischen auch das „Internet of Things“ (IOT). Damit lassen sich fernbedienbare Funktionen nutzen, sodass die technischen Gebäudefunktionen für das Personal von jedem Punkt der Welt aus steuerbar sind. Die Wohnkonzepte von Newcomern des Kurzzeitwohnens wie Numa oder Limehome sind vollständig auf das digitale Management ausgerichtet.

Im Ergebnis zeigt sich, dass der Markt des temporären Wohnens stark auf die wirtschaftlichen Entwicklungen von Branchen, Arbeits- und Wohnungsmärkten reagiert und damit zurzeit besonders dynamisch ist. Rückschläge durch die Coronakrise bei Auslastungen und Renditen und die seit 2019 aufziehende Rezession haben diese Entwicklung bislang nicht aufgehalten. Probleme sind nach wie vor der fehlende Angebotsüberblick und der noch geringe Bekanntheitsgrad bei relevanten Zielgruppen. Wie erfolgreich sich das Asset weiterentwickelt, wird wohl vorrangig von den allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen abhängen.

Die moderne Wohnform Micro Living hat sich in den vergangenen Jahren zu einer nachgefragten Wohnform und gleichzeitig zu einer interessanten Immobilien-Anlage entwickelt. Doch kann sich das Asset langfristig behaupten? Einen Überblick gibt Hendrik Kappe vom Projektentwickler KAPPE.